Die „Red Pill“-Bewegung ist der neueste Trend für Männer, die sich von der Welt betrogen fühlen. Mit einer Mischung aus Pseudo-Erleuchtung, Frauenhass und Verschwörungstheorien erklären sie, warum eigentlich alle außer ihnen schuld an ihrem Leid sind.
Wer sich schon immer gefragt hat, warum das Leben so schwer ist, findet in der Red Pill-Bewegung die vermeintlich einfache Antwort auf das miserable Leben. Es liegt nicht etwa an der eigenen Faulheit, Unsicherheit oder Ignoranz, sondern an – Surprise! – Frauen. Why Red Pill? Das Movement wurde nach einer berühmten Szene aus „Matrix“ benannt und verspricht seinen Anhänger:innen die brutale Wahrheit. In diesem Fall: Kerls sind die wahren Opfer der Gesellschaft, Frauen die wahren Täterinnen.
Der Shit ist nicht neu! Angefangen in Reddit-Foren von Männerrechtler:innen und Pickup-Artists. Die Bewegung entwickelte sich schnell zu einem digitalen Safe Space für Männer, die keine Lust auf Selbstreflexion haben, weil sie vermeintlich einfache Antworten suchen. Es startete damit, dass Frauen nur hinter Reichtum, Status und Muskeln her sind, während sie selbstredend völlig unschuldige Opfer dieser „hypergamen“ Weltordnung sind. Statt den Partner:innen Respekt entgegenzubringen, wird das Leben mit simplen Stereotypen auf „Alpha“ und „Beta“ reduziert. Und so begann ein Movement, das es nun seit knapp zehn Jahren gibt und das ein Blueprint der Gender-Division ist.
Aber da hört der Spaß nicht auf. Wenn die Red Pill ein Einstieg in die Welt der Männerrechtsbewegung ist, dann ist die Black Pill ihr radikaler Bruder, der beschlossen hat, dass sowieso alles sinnlos ist. Nach diesem Weltbild ist der eigene Status genetisch vorbestimmt. Die einzige Lösung für das persönliche Leid liegt nicht in Therapie oder Veränderung, sondern in Gewalt. Gewalt gegen Frauen, Chads (die privilegierten, attraktiven Männer), oder gegen sich selbst. Ich sag’s, wie es ist: Ich will hier raus!
Aber ich bin nun drin. In Foren wie incels.co oder 4chan liegt die Heimat solcher Theorien. Hier werden nicht nur Frauen zu manipulativen Monstern degradiert, sondern auch Mordfantasien ausgetauscht und gefeiert. Der Toronto-Van-Attentäter? Ein „Held“ der Bewegung. Und natürlich ist das alles völlig logisch. It’s so so simple, Frauen und „Wokies“ (ein „cutes“ Wort für „links-grün-versiffte Menschen“) für alles verantwortlich zu machen. Wäre zu einfach, mal in den Spiegel zu schauen und sich selbst zu lieben, anstatt im Hass zu versinken.
Aber we don’t like that. Und auch nicht alle sind single. Denn die Alphas lieben es, von Podcast-Bros zu lernen. Die erzählen stolz, wie sie ihre Partnerinnen oder Frauen im Allgemeinen sabotieren, betrügen und belügen. Gleichzeitig jammern sie, dass diese nicht loyal genug seien. Zig Frauen, die mit solchen Männern in Beziehungen waren oder noch sind, berichten von ihren Erlebnissen: Manipulation, Gaslighting und dem ständigen Versuch, sie in Abhängigkeit zu treiben. Menschen, die helfen wollen, wie Freund:innen, werden als „schlechter Einfluss“ bezeichnet. Und bloß nicht zu viel lesen! Bildung wird als „Zeitverschwendung“ abgetan. Welcome to Hexenhood. Die Eigenständigkeit der Frau ist für diese Typen natürlich eine Bedrohung für die Männlichkeit. Da helfen am besten toxische Tipps und eine frauenhassende Strategie, die angeblich zu einer „glücklichen“ Partnerschaft führt. Wer hätte gedacht, dass einige Frauen wenig Lust auf Männer haben, die sie wie Eigentum behandeln und nicht wie eigenständige Wesen?
Während Frauen laut Studien zunehmend nach links rücken und sich stärker für Gleichberechtigung einsetzen, verharren viele junge Männer in einem politischen Stillstand – oder radikalisieren sich weiter nach rechts. Die Red Pill verspricht Erleuchtung, aber was sie wirklich liefert, ist ein Ticket in die Isolation.
Beziehungen scheinen immer schwieriger zu werden, da laut verschiedener Studien Frauen immer weniger bereit sind, sich mit solchen Einstellungen abzufinden. Populäre Kulturbewegungen wie das 4B-Movement aus Südkorea oder Zölibat-Challenges auf Social Media holen diese Zahlen zurück in die Realität. Für die Männer bleibt oft nur die eigene Community als Trost – eine Echokammer aus Gleichgesinnten, die ihnen sagt, dass sie die wahren Opfer sind und die Welt gegen sie arbeitet. Und während sie weiter auf ihrem Thron des Selbstmitleids sitzen, dreht sich das Rad der echten Welt ohne sie weiter. Und sie geben das als Eltern an die nächste Generation weiter. Statt Fortschritt bietet die Red Pill eine Art Stillstand und veraltete Ressentiments. Dank der konservativen Angst, nicht mehr wichtig zu sein, wird das Spiel der Red Pill auch auf politischer Ebene ausgetragen. Trumpification sei Dank! Das freut uns.
:aneb
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