Weihnachtszeit ist erst im Dezember? Nichts da! Ich war mitten im Weihnachtsfieber auf dem Bochumer Weihnachtsmarkt und sage Euch, ob es sich lohnt. Eine Reportage.

Für nicht-Bochumer:innen klingt das sicherlich bizarr: Dick in meinen Wintermantel eingehüllt stehe ich neben der Bühne auf dem Doktor Ruer Platz und schaue gebannt nach oben. Dort ist bereits der berühmt-berüchtigte Schlitten des Weihnachtsmannes gespannt und schwankt bedrohlich im Wind. Die Rentiere scheinen ganz so wie ich ordentlich zu frieren, so stocksteif wie sie dort oben in der Luft auf ihren Schlittenführer warten. Dieser hat sich eigentlich für 18:30 Uhr angekündigt, aber mittlerweile sind schon drei Minuten vergangen, in denen sich so viel tut wie an Weihnachten auf der Autobahn. Ach, und habe ich vergessen zu erwähnen, dass neben mir Oberbürgermeister Thomas Eiskirch im straffen Tempo fleißig Weihnachtsstollen anschneidet und ausgibt? Er macht bestimmt so manchem Weihnachtselfen Konkurrenz. Naja, jetzt wird‘s aber mal Zeit, denke ich. Sonst komme ich noch auf die Idee, auf den gelben Krahn zu starren, der hinter der stählernen Schnur, auf welcher der Schlitten hängt, in die Höhe ragt. Das muss ein paar Augenrollen im Stadtmarketing gegeben haben… Endlich ertönt aus ein paar Boxen eine nicht lokalisierbare Stimme. Wer spricht denn da? Das muss der Weihnachtsmann sein!

Ein (un)normaler Arbeitstag in Bochum

Nein, natürlich ist es ein Schauspieler, der sein Eintreffen ankündigt. Jetzt zerstöre ich den Vibe, wie der besagte Krahn. Aber eigentlich will ich so nicht sein. Sonst komme ich noch auf die Liste der bösen Studis. Der „Weihnachtsmann“ also schwenkt sich endlich in seinen Schlitten und dann ist auch der Krahn vergessen. Die Kinder um mich herum starren staunend in die Höhe, während sie gebannt der Geschichte lauschen. Anscheinend hat der gebürtige Finne am Bochumer Hauptbahnhof seinen Geschenkesack vergessen. Das erklärt auch die Zugverspätungen. Insgesamt ist es ganz süß gemacht, nur von den Funken unterm Schlitten habe ich mir etwas mehr erhofft. Das Highlight ist eher, dass der Weihnachtsmann auf einmal von seinem Schlitten über eine Seilbahn Richtung Bühne saust. Wie wird man eigentlich der fliegende Weihnachtsmann? Das ist auch mal eine etwas andere Art von Job, denke ich mir.

The Christmas menu, please

Hier auf dem Eröffnungstag des Bochumer Weihnachtsmarktes ist es vor allem eines: voll. Ich bin hier mit der Familie verabredet und verliere diese mehrmals aus den Augen. Aber das gehört halt irgendwie dazu. Nun ist es Zeit, sich auf Nahrungssuche zu begeben. Ich inspiziere dafür akribisch die hellerleuchteten Stände. Dabei erblicke ich gegenüber vom Hinterausgang von Balz einen Stand mit Pitas, kleinen Minipizzen und einen mit ausschließlich vegetarischen und veganen Angeboten. Das sieht ja schon mal gut aus! Natürlich gibt es auch die gewohnten Stände: Backkartoffeln, Flammlachs oder gebratene Champignons und co., doch die Neugierde treibt mich bei meiner Suche weiter. Ebenso entdecke ich einen Stand mit orientalischen und holländischen Spezialitäten.  Auch für ein Dessert wäre schon mal zweifellos gesorgt: Natürlich gibt es zahlreiche Stände mit Obst am Stiel in Schokolade umhüllt, Lebkuchen oder gebrannten Mandeln.
Auch Crepês und bunte Bonbons sehe ich en masse. Am Rathausplatz entdecke ich zudem noch Reibekuchen und sogenannte Baumstriezel, die ich noch nie probiert habe. Was genau soll das eigentlich sein?
Was mir dort ebenfalls in Auge fällt, ist eine Bude mit Milchreis und diversen Toppings. 

Massenware und Märchenwald

Am Ende wird es allerdings doch die traditionelle Backkartoffel hinter C&A. Was soll ich sagen — in der Hinsicht bin ich vielleicht etwas eingefahren. Da könnte sich der Weihnachtsmarkt, wie Stollenverkäufer Thomas Eiskirch am Dr. Ruer Platz, aber auch mal eine Scheibe von abschneiden. Kunsthandwerkstände gibt es nur drei, wodurch es dem Markt in der Hinsicht vielleicht etwas an, nun ja, an „Marktcharme“ fehlt. Stattdessen reihen sich vor allem nahe des Dr- Ruer- Platz Textilien aneinander, die man genauso gut auf jedem Weihnachtsmarkt finden könnte – Massenware. Dies fällt mir vor allem bei Strickware auf, die eher billig produziert und aus dem Ausland importiert zu sein scheint. Aber ich will damit gar nicht sagen, dass der Bochumer Weihnachtsmarkt insgesamt nichts Einzigartiges mit sich bringt: Dafür gibt es schließlich den fliegenden Weihnachtsmann oder auch den Bochumer Märchenwald, der mit seinen sprechenden Figuren wenig später ein Lächeln auf mein Gesicht zaubert. Auch andere Traditionsstände, wie den Eierpunschstand gegenüber Balz, erblicke ich dieses Jahr wieder, was in mir ein Gefühl heimatlicher Verbundenheit auslöst.

Zeitreisen

Auch der Mittelaltermarkt hat seinen persönlichen Charme und entführt mich während meines kurzen Rundganges in eine andere Welt. Bis ich plötzlich Zeugin einer großen Streiterei werde. Manche Menschen haben wirklich ein bitteres Bild von Kindererziehung. Als ich jedoch in eine der offenen Hütten schaue, in der bereits fertige Bienenwachskerzen in zahlreichen Größen und Formen liegen, nehme ich vor allem eines wahr: den Duft von Kindheit. Hier habe ich früher immer Kerzen und Handcreme aus Bienenwachs gekauft und der Stand hat sich tatsächlich bis heute gehalten. Direkt gegenüber erblicke ich dann einen Eyecatcher der ungewöhnlichen Art: ein Schild mit der Aufschrift: “Die schärfste Chili der Welt”. Also da sehe ich wortwörtlich rot. Aber wer einen kleinen Nervenkitzel sucht, erlebt hier bestimmt eine schöne Bescherung. Ich gebe mich mit meinen von der Kälte geröteten Wangen zufrieden.

Lohnt es sich denn nun?

Ja, offenbar gibt es doch noch so einiges, was den Bochumer Weihnachtsmarkt zu etwas Besonderem macht. Und als gebürtige Bochumerin weiß ich das auch zu schätzen. Zweifellos ist der Markt nicht so groß wie der in Ruhrpottmetropolen wie Essen oder Dortmund — aber dafür ist alles eben überschaubarer. Sowieso vergleicht man Granatäpfel nicht mit Schokobirnen. Deshalb verlasse ich den Bochumer Weihnachtsmarkt mit einem Lächeln. Die Frage lautet nicht, ob ich wiederkomme, sondern wann. Schließlich war es ein gelungener Auftakt der Weihnachtszeit, deren Blütezeit uns erst noch bevorsteht.

: Levinia Holtz

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