„US-Sängerin Chappell Roan ist undankbar für ihre neu erlangte Berühmtheit”. So jedenfalls lautet die Kritik an ihren jüngsten Statements, in denen sie kein gutes Haar an übergriffigen Fans lässt.
You‘d have to stop the world just to stop the (s)talking. So hätte die Line in Chappell Roans Hit „Good Luck Babe“ alternativ heißen können. Denn es scheint Normalität zu sein, dass Stars und übergriffige Fans oft wortwörtlich Hand in Hand gehen. Viele Menschen haben bereits Erfahrungen mit Stalking gemacht, jedoch treiben es vermeintliche Fans oder Paparazzi vor allem bei Celebreties oft auf die Spitze.
Nicht selten hört man von Einbrüchen in die Anwesen von Pop-Giganten. Auch Taylor Swift wurde bereits mehrmals Opfer von vermeintlichen Fans, die eine gestörte Vorstellung von Liebe haben. Schließlich gehört zu letzterer wohl kaum, ohne zu fragen die Dusche oder das Bett einer fremden Person zu benutzen.
Chappell Roan setzte nun auf Social Media ein deutliches Zeichen gegen übergriffiges Fanverhalten. Es sei ihr egal, dass es Teil des Jobs ist, belästigt oder sogar gestalkt zu werden. Hierbei bezieht sie sich auch auf übergriffige Fans, die das Zuhause ihrer Familienmitglieder aufsuchen oder sie auf offener Straße „anschreien“. Im erregten Ton fügt sie hinzu: „Es ist komisch, zu glauben, man kennt eine Person, (….) weil man sich ihre Kunst anhört.“ Auch zu der Kritik, Fotoanfragen abzulehnen oder sie nicht umarmen zu dürfen sei egoistisch, hat sie eine klare Haltung: „I don’t give a fuck“.
Zudem will sie auch nicht mit ihrem bürgerlichen Namen angesprochen werden, da sie sich als Kunstfigur versteht und ihr Privatleben schützen möchte. „Unsympathisch“ oder „Sie muss das aushalten können, wenn sie damit Millionen verdient“, sind Aussagen, die man in Kommentarspalten auf Social Media immer wieder liest. Aber stimmt das wirklich?
Die Bindung zwischen Stars und ihren Fans ist aller meistens einseitig, aber dennoch kann sie sich real anfühlen. Für die Fans jedenfalls. Bereits in den 1950er Jahren beschrieben Horton und Wohl indirekt, dass das Gehirn nicht immer zwischen Bindungen mit Charakteren in den Medien und im echten Leben unterscheidet. Das heißt konkret, wir können uns zu einem Star verbunden fühlen, mit dem wir selbst noch nie ein einziges Wort in Person gesprochen haben. Dennoch rechtfertigt diese gefühlte Nähe nicht per se übergriffiges Verhalten. Manche würden jetzt nämlich schlussfolgern, dass es demnach vollkommen normal ist, wenn Fans dazu neigen, Stars wie Vertraute zu behandeln. Eine ungefragte Umarmung? Gehört doch zu jeder Freundschaft dazu! Naja, wenn es so einfach wäre. Dass es parasoziale Beziehungen gibt, ist zwar normal. Wie manche vermeintlichen Fans damit umgehen, ist aber, um die Sängerin zu zitieren, tatsächlich „fucking weird”.
Denn obwohl sich diese Bindungen real anfühlen, sollte der Verstand noch intakt sein. Wer eine gewisse Reife erreicht hat, weiß also hoffentlich, dass man die Person, die vielleicht zum ersten Mal vor einem steht, eigentlich gar nicht kennt. Vor allem die berühmte Person selbst verspürt faktisch keinerlei persönliche Verbindung zum einzelnen Fan. Denn wie bereits oben gesagt, Fanliebe ist eine ziemlich einseitige Beziehung.
Eine Umarmung kann deshalb schnell unangenehm werden — für beide Seiten. Denn sind wir mal ehrlich. Wenn der Star uns wirklich etwas bedeutet, dann wollen wir selbst auch nicht, dass wir ihn unwohl fühlen lassen. Meine persönliche Handlungsempfehlung? Vor einer Umarmung einfach danach fragen.
Was ist denn nun noch angebracht?
Darf ich noch nicht mal den amtlich eingetragenen Namen einer Bürgerin sagen? Nun, ich denke, man sollte sich einfach fragen, wie man anderen Fremden im echten Leben begegnen würde. Mit Respekt, oder nicht?
Wenn mich jemand darum bittet, einen anderen Namen zu verwenden, um die Person anzusprechen, dann würde ich das grundsätzlich akzeptieren. Ich darf theoretisch eine eigene ablehnende Meinung dazu haben, aber gleichzeitig ist mir Höflichkeit im Umgang mit anderen wichtig.
Wahrscheinlich ist Chappell die wachsende Berühmtheit alles andere als geheuer und sie versucht einfach mit aller Kraft ihre Privatsphäre zu bewahren. Ist es nicht eigentlich erfrischend zu sehen, dass jemand sich offenbar mehr für die Kunst interessiert als dafür, von anderen Menschen bewundert zu werden? Wenn sie weiterhin gute Musik macht, dann ist es mir weitgehend egal, wie man sie nennen soll.
Ich stecke nicht in ihren Schuhen.
Vielleicht hat sie vor allem junge Fans mit ihren Worten verletzt. Junge Fans oder LGBTQ+ Personen, die sie respektieren oder sogar verehren. Für die ihre Community eine Safe Space ist. Aber vielleicht sind das auch Wachstumsschmerzen. Roan ist schließlich einer der ersten Prominenten der Gen Z, die so deutlich zu ihren Fans spricht. Da ist es klar, dass ihre Worte weh tun. Auch, weil Stars aus Marketinggründen ihre Fans normalerweise geradezu mit Liebe überschütten. Aber sind wir ehrlich: Auch Chappell Roan darf Grenzen setzen. Und wenn man sich wirklich dadurch angegriffen fühlt, dann sollte man vielleicht seine Energie in Personen im realen Leben investieren, die einem eher die Verbundenheit geben können, die wir uns alle wünschen.
:Levinia Holtz
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