Taban Abas, 27, studiert Deutsch und Geschichte auf Lehramt. Seit 2022 ist sie AStA-Referentin für politische Bildung. Mit ihrem Projekt „A Day in History“ setzt sie sich dafür ein, historische Themen und Ereignisse, die oft unterrepräsentiert sind, ins Bewusstsein zu rücken. Ihr Antrieb stammt aus persönlichen Erfahrungen mit Rassismus und dem Wunsch, durch Aufklärung gesellschaftliche Missstände zu bekämpfen.
:bsz: Wir sprechen heute über das Projekt „A Day in History“. War das eine Idee, die Du schon lange im Kopf hattest?
Taban: Ja, tatsächlich wollte ich so etwas schon lange machen, sogar noch bevor ich in den AStA gekommen bin. Schon in meiner Schulzeit habe ich Rassismus erlebt. Ein einschneidendes Erlebnis hatte ich, als ein Sportlehrer während des Vormarschs des Islamischen Staates im Irak zu mir sagte: „Du hast ja nichts zu befürchten, du bist ja Muslimin.“ Dabei war mein Onkel in derselben Nacht auf der Flucht vor genau diesen Jihadisten. Solche Äußerungen entstehen aus Unwissenheit und haben mich tief getroffen. Schon damals wusste ich, dass Aufklärung der Schlüssel ist, um solche Vorurteile zu bekämpfen. Im AStA hatte ich dann die Möglichkeit, diese Idee weiterzuentwickeln und in größerem Rahmen umzusetzen. Historische Themen, die oft nicht genügend Aufmerksamkeit erhalten, liegen mir am Herzen, und ich wollte eine Plattform schaffen, um über sie aufzuklären.
Deine erste Veranstaltung drehte sich um den Völkermord von Srebrenica. Warum hast Du dieses Thema gewählt?
Das Thema Srebrenica war für mich besonders wichtig, weil es auch in meinem Geschichtsstudium kontrovers behandelt wurde. In einem Seminar hielt ich einen Vortrag, in dem ich den Begriff „Genozid“ verwendete, was mein Dozent sofort zurückwies. Er behauptete, es handle sich nur um ein „Massaker“. Für mich war das unfassbar, denn es gibt zahlreiche wissenschaftliche und juristische Beweise dafür, dass es sich um einen Genozid handelte. Das war für mich ein entscheidender Moment, der mir zeigte, wie wichtig es ist, über solche Themen aufzuklären, besonders wenn selbst an Universitäten Fakten verdreht werden. Deswegen habe ich Professor Markus Koller eingeladen, der sich intensiv mit den Jugoslawienkriegen beschäftigt. Die Veranstaltung war ein voller Erfolg. Der Seminarraum war überfüllt und das große Interesse hat mir gezeigt, wie notwendig solche Diskussionen sind.
Wie waren die Reaktionen auf Deine Veranstaltungen insgesamt?
Die Reaktionen waren durchweg sehr positiv, und das hat mich immer wieder bestärkt. Besonders bei der Veranstaltung über die Jesiden war ich emotional sehr berührt. Eine Überlebende, die vom Islamischen Staat versklavt wurde, hat über ihre traumatischen Erlebnisse gesprochen. Die Teilnehmenden waren tief bewegt, viele haben geweint und sie nach der Veranstaltung umarmt. Solche Momente zeigen mir, wie wichtig es ist, diesen ungehörten Stimmen Gehör zu verschaffen. Auch die Veranstaltung über den Giftgasangriff auf Kurden und der Vortrag über den Widerstand von Stauffenberg haben viele Menschen bewegt. Es freut mich immer besonders, wenn ich sehe, wie unterschiedlich die Teilnehmenden sind. Von Studierenden über Rentner bis hin zu ganzen Schulklassen – das Publikum ist bunt und zeigt, dass diese Themen viele Menschen betreffen.
Was hast Du im nächsten Semester geplant?
Es gibt einige spannende Veranstaltungen im kommenden Semester. Eine davon wird sich mit den Uiguren in China beschäftigen, die systematisch verfolgt und inhaftiert werden. Es wird ein Professor aus Würzburg und ein Uigure sprechen, die die Lage aus wissenschaftlicher und persönlicher Sicht beleuchten. Außerdem plane ich eine Veranstaltung zur Apartheid in Südafrika, bei der ich auch Zeitzeugen einladen möchte. Besonders am Herzen liegt mir zudem eine Veranstaltung zum OEZ-Anschlag 2016 in München. Dieser rassistisch motivierte Anschlag wird oft vergessen, weil er lange als unpolitische Tat eingestuft wurde. Es ist mir wichtig, diese Themen zu behandeln, da sie häufig übersehen oder unterrepräsentiert sind. Ich hoffe, dass wir auch in Zukunft viele Menschen mit diesen Veranstaltungen erreichen können.
Du bist ja bald mit dem Studium fertig. Was passiert dann mit „A Day in History“?
Das ist eine Frage, die mich schon länger beschäftigt. Ich habe dieses Projekt ins Leben gerufen und bin sehr emotional damit verbunden. Es ist mein „Baby“, und es wäre schwer, es abzugeben. Aber ich weiß, dass ich irgendwann weiterziehen muss. Mein Wunsch ist, dass „A Day in History“ nicht mit mir endet, sondern vielleicht sogar an anderen Universitäten oder bundesweit fortgeführt wird. Das Format hat Potenzial, weil es nicht nur Studierende anspricht, sondern auch andere Bevölkerungsgruppen wie Schüler oder ältere Menschen erreicht. Gleichzeitig überlege ich, ob ich solche Projekte auch später als Lehrerin an Schulen fortführen könnte. Es ist wichtig, dass wir diese Themen weiter in den Fokus rücken, denn historische Aufklärung ist der Schlüssel zu einem besseren Miteinander.
:Abena Appiah
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