Bei unserem aktuellen Themenfokus haben wir das Thema Hochschule und Behinderung schon aus ganz praktischer Perspektive betrachtet. Aber habt Ihr Euch schon mal Gedanken über die akademische Seite des Ganzen gemacht? Wenn Ihr sowieso Studierende der Kultur- oder Sozialwissenschaften seid, dürftet Ihr das Feld der Disability Studies bereits kennen. So oder so lohnt es sich, das Bochumer Zentrum für Disability Studies(BODYS) auszuchecken, welches eine einzigartige Arbeit in dem Bereich leistet. Das Bochumer Zentrum für Disability Studies wurde 2015 gegründet und ist an die Evangelische Hochschule Bochum Rheinland-Westfalen-Lippe angegliedert. Das Forschungszentrum ist eines von sieben in seinem Bereich in Deutschland und beschäftigt sich mit dem Thema Behinderung als soziale, historische und kulturelle Konstruktion – den Disability Studies. Diese werden als interdisziplinäre Grundlage für die UN-Behindertenrechtskonvention verstanden. Die 2008 in Kraft getretene Konvention führte zu einem Paradigmenwechsel. Das bisherige medizinisch-defizitäre Verständnis von Behinderung wurde durch einen menschenrechtlichen Ansatz ersetzt. In diesem Verständnis wird Behinderung als Bereicherung der menschlichen Vielfalt angesehen. Das Institut bietet den Rahmen für Forschung und Lehre in diesem Bereich, dabei gilt die Forderung „nichts über uns ohne uns“. Ein besonderes Anliegen von BODYS ist es, behinderte Nachwuchswissenschaftler:innen zu fördern. Eine weitere Besonderheit im deutschsprachigen Raum bei BODYS ist, dass Disability Studies und Pädagogik an der Evangelischen Hochschule eng nebeneinanderstehen. Dies betont Johanna Knebel in einem Interview des Instituts auf dessen Website. Die Arbeit von BODYS fließt auch ganz gezielt in Studiengänge wie Heilpädagogik und Inklusive Pädagogik an der Hochschule mit ein. Knebel promoviert am Centre for Disability Studies (CDS) in Leeds und ist derzeit Gastforscherin bei BODYS. Im Interview berichtet sie über ihr Forschungsthema „Sexuelle Bildung von und für Menschen mit Lernschwierigkeiten“. Dabei ist sie sich ihrer Rolle als nicht-behinderte Wissenschaftlerin durchaus bewusst und will ihre Forschungsmethoden so gestalten, dass eine echte Beteiligung von Menschen mit Lernschwierigkeiten möglich wird. Wie viele Forschende aus den Disability Studies sieht sie das „Problem“ oder die „Schwierigkeit“ nicht bei den Menschen mit Behinderung, sondern in den traditionellen Forschungsmethoden. Sie verfolgt einen inklusiven Forschungsansatz mit visuellen und kreativen Forschungsmethoden, wodurch sie sich erhofft, den Kommunikationsbedürfnissen und der Lebenswelt von Menschen mit Lernschwierigkeiten gerechter zu werden. Die Forschung von Joanna Knebel ist ein Beispiel von vielen Projekten von BODYS. Beispielhaftverdeutlicht sie die Bestrebungen nach Emanzipation, Partizipation und Gleichstellung behinderter Menschen des in Deutschland neuen Lehr- und Forschungsgebietes. Insgesamt sind die Arbeitsschwerpunkte des Bochumer Zentrums für Disability Studies breit aufgestellt. Neben der Vorbereitung und Durchführung von Forschungsprojekten, fördern und vernetzen sie die Lehre zu Disability Studies. Außerdem entwickeln sie Fort- und Weiterbildungsangebote und führen Tagungen und Veranstaltungen durch. Einen Überblick dazu könnt Ihr Euch auch auf der Website des Instituts verschaffen. Zudem fördert BODYS den Aufbau von regionalen, nationalen und internationalen Kooperationen mit Forschungs- und Praxiseinrichtungen wie beispielsweise dem Centre for Disability Law and Policy an der National University of Ireland in Galway. Ein Ziel im Rahmen dieser Kooperationen ist der Aufbau und die Pflege einer Informations- und Kommunikationsplattform zu Disability Studies für den Wissenstransfer in Politik, Praxis und Forschung. Als eines der (leider noch) wenigen Zentren für Disability Studies in Deutschland leistet BODYS einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung tragfähiger Konzepte für eine inklusive Zukunft. :juli
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