Die diesjährige Demo zum Christopher Street Day ist vorbei. Impressionen aus den Redebeiträgen, von der Demonstration und den Inhalten, die am vergangenen Samstag in Bochum auf die Straße gebracht wurden.
Zum 53. Mal jährten sich dieses Jahr die Unruhen nach einer Razzia in der Bar Stonewall Inn in der New Yorker Christopher Street. Das wurde auch in Bochum wieder mit einer Demonstration zum Christopher Street Day gefeiert, die als krönender Abschluss die Aktionen der vergangenen Woche abschloss. Und was für ein Abschluss sie war: Ausgerüstet mit Pride Flaggen, und hoffentlich gut eingecremt, kamen bis zu 2000 Menschen zusammen und liefen mit Zwischenstopp am Deutschen Bergbaumuseum vom Rathaus zum Dr. Ruer-Platz in der Bochumer Innenstadt. Bevor es losging, wurden jedoch noch einige Dinge klargestellt, und sowohl das Awareness-Konzept als auch Auflagen und allgemeine Hinweise vorgestellt. Ein Satz wirkt dabei besonders wichtig: „Das hier ist eine politische Veranstaltung“. Klar, es geht auch um Spaß und gemeinsames Feiern, doch die politische Dimension und die Solidarität mit allen Mitgliedern der queeren Community dürfe nicht vergessen werden. Und diese Solidarität müsse für alle gelten. Dass man bereits hart erkämpfte Rechte wieder verlieren könnte, weil man sich auch für die Rechte derer einsetzt, die nicht in die binäre Vorstellung von Geschlecht passen, sei Unsinn. Es ginge um Anerkennung und ein Leben ohne Angst vor Gewalt. Ein spontaner Redebeitrag aus dem Orga-Plenum beschäftigte sich mit zwei leider sehr traurigen, aktuellen Themen. Einerseits wurde das Ende von Roe v Wade und somit die Möglichkeit, Abtreibungen auf Staaten-Level zu verbieten, in den USA kritisiert. Andererseits wurde Trauer und Wut wegen der Ereignisse in Oslo, bei denen ein mutmaßlich islamistischer Terrorist bei einem Anschlag auf queere Orte zwei Menschen tötete und mehrere verletzte, geäußert. Für die meisten sei es nicht das erste Mal, dass sie zu solchen schrecklichen Nachrichten aufwachen, und leider wird es wohl auch nicht das letzte Mal sein. Doch man wolle nicht länger schweigen, und in Gedenken und als Ausdruck der Wut, gab es daraufhin keine Minute Stille, sondern eine Schreiminute. 60 Sekunden lang schrien, brüllten, riefen die Teilnehmer:innen in einer kathartischen Aktion ihre Frustration hinaus, wobei zu Wut auch schnell Gelächter und Freude, sowie ein abschließender, tobender Applaus kam. Gegen den Hass für ein Leben frei von Angst. Dann reihte man sich auf, jeweils einer der drei Lautsprecherwagen – ein Hauptwagen, einer der Oval Office Bar und einer der Rotunde, fuhren los, mit jeweils einer großen Gruppe Menschen hinter ihnen. Queere Hits, von t.A.T.u’s „All The Things She Said“ bis Madonnas „Express Yourself“ wurden immer wieder von Statements zum Grund dieser Demonstration begleitet. Hupende Autos und winkende Menschen an Fenstern begrüßten immer wieder die feiernden Menschen. Während in verschiedenen Beiträgen immer wieder klargemacht wurde, dass die Demo zum CSD auch eine kämpferische sein sollte, blieb dieser Aspekt jedoch in der Umsetzung etwas außen vor. Mehr eine große Party als eine offensichtlich politische Demonstration. In einer Welt, in der die Rechte queerer Menschen immer wieder angegriffen und eingeschränkt werden, ist jedoch auch ein lautes „Wir sind hier, wir sind laut“ schon ein eindrückliches Statement. Nicht vergessen werden sollte jedoch, dass die Rechte, die LQBTQIA+ Personen heutzutage mancherorts haben, nicht nur mit eindrücklichen Statements errungen wurden, sondern in einem langjährigen, politischen Kampf, der auch heute noch nicht annähernd abgeschlossen ist. Doch eines hat der Christopher Street Day bewiesen: Bochum und Umgebung sind bunt, vielfältig und haben in den letzten zwei Jahren nicht vergessen, wie man bunt und vielfältig feiernd durch die Straßen zieht.
:Jan-Krischan Spohr
Die Ursprünge des CSD …
… in Bochum. Heute werfen wir mit Euch einen Blick zurück auf die spannende wenngleich kurze Geschichte des Christopher Street Days in unserer Stadt.
Im Pride-Month werden weltweit Feierlichkeiten und Demonstrationen veranstaltet. In englischsprachigen Ländern finden sogenannte Pride Parades statt, wohingegen in Deutschland, der Schweiz und Teilen Österreichs der sogenannte Christopher Street Day im Juni in vielen Städten abgehalten wird. Der Begriff geht auf den ersten Protest Homosexueller in der New Yorker Christopher Street in Greenwich Village zurück, der sich am 28. Juni 1969 im Rahmen der Stonewall Riots gegen Polizeiwillkür und gegen die Vollstreckung homo- und transfeindlicher Gesetze ereignete. Seitdem entwickelte sich eine internationale Tradition, mit dem Christopher Street Day diesen Aufständler:innen zu gedenken, ihren Kampf um ihre Rechte fortzuführen und sich in einer bunten Parade zusammenzufinden. Im Juni 1979 fand der CSD seinen Weg nach Deutschland. In Bremen, Köln und Berlin wurden unter den Bezeichnungen “Gay Pride International – Schwuler Karneval” und “Gay Freedom Day” erstmals Veranstaltungen, Paraden und Proteste abgehalten. Seitdem sorgen Mitglieder der LGBTQIA+-Community jährlich in Deutschland für Sichtbarkeit, Aufklärung und natürlich auch farbenfrohen Spaß auf den Straßen neben ihren Demonstrationen. In Bochum ist der CSD vergleichsweise jung: Am 20. Juli 2019 wurde er nach einer langen Phase der Inaktivität – davor fand der CSD in Bochum zum ersten Mal 1997 statt, bevor die Tradition in der Pottstadt für 22 Jahre erstarb – zum 50. Gedenktag wieder organisiert. Dahinter stand ein basisdemokratisches Plenum aus Einzelpersonen, die in verschiedenen Vereinigungen in Bochum aktiv sind. Dazu zählen beispielsweise das SCHLAU-Team, die Rosa Strippe und die AIDS-Hilfe. Letztere unterstützen den CSD Bochum. Nachdem das Organisationsteam den CSD 2020 aufgrund von Corona nur in Form einer Mahnwache hat stattfinden lassen können, kehrte er nun wie im Jahr 2021 mit einem vollen und bunten Programm zurück. Und auch der erst fünfte Christopher Street Day unserer Stadt war ein begeisterndes Erlebnis für sich!
:Rebecca Voeste
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