Die Feiertage am Ende des Jahres gipfeln jedes Mal aufs Neue an Silvester. Nach den zumindest theoretisch vorgesehenen „besinnlichen“ Tagen darf man noch mal richtig auf die Kacke hauen. Aber was soll das alles?
Bei Silvester und Neujahr spalten sich die Geister, und das bei vielen Themen: Raclette oder Fondue? Feiern gehen oder zuhause bleiben? Kleiner Kreis oder große Runde? Böllern oder nicht? Besonders letzteres ruft natürlich wieder die mutigen Kämpfer (Maskulinum, nicht generisch) für unser aller Freiheit auf den Plan. Denn Böllern gehört schließlich genau wie kein Tempolimit, Fleisch essen, Frauen belästigen und Neokolonialismus zu den Traditionen, die wir uns vom woken Mob nicht nehmen lassen dürfen. Die Aufgabe, diejenigen die weniger haben, vor dem Egoismus der oberen Klassen zu schützen, scheint einfach sehr unbeliebt, schließlich macht man sich keine Freund:innen unter den Leuten, die so fleißig an die eigene Partei spenden. Jedes Jahr gibt es Verletzte, nicht selten genug sogar Tote wegen Feuerwerk an Silvester. Brände brechen aus, Tiere werden verschreckt oder verletzt. Feinstaub belastet die Luft, Müll liegt noch tagelang auf den Straßen, landet in den Wäldern und Gewässern. Viel Geld wird ausgegeben, für ein paar Minuten Lärm und Lichter. Die rituellen oder traditionellen Bedeutungen von Feuer und Feuerwerk sind dabei vollkommen irrelevant. Man kauft ein Konsumprodukt und benutzt es so, wie hinten auf der Plastikpackung beschrieben – manchmal auch eher nach Gefühl, denn es wird ja schon nichts passieren, und fünf Finger an jeder Hand sind auch eigentlich viel zu viel, wie oft braucht man die schon? Vorsätze, Bleigießen, Jahresrückblicke und andere Bräuche haben noch eine gewisse Bindung zu einer metaphysischen, abstrakten Bedeutung, die Feuerwerk schon lang verloren hat. Es hat sich eher zu einer weiteren Chance generiert, den eigenen Reichtum darzustellen mit dem größten und tollsten Feuerwerk. Dabei wäre es eine so gute Gelegenheit: Nach Weihnachten als Fest mit Familie (ob Blutfamilie oder gewählte Familie), Zeit der Zusammenkunft – ob nun mit religiöser Prägung oder nicht – bietet ein Fest wie Silvester die Gelegenheit, ein endendes sowie ein neu beginnendes Jahr zu feiern, und das losgelöst von kapitalistischem Konsum, Kaufrausch und sonstigem Ballast. Denn das Ende des Jahres ist arbiträr. Egal wie man Jahre einteilt, wann man sagt, dass sie Enden und beginnen, eine weitere Runde um die Sonne bedeutet schlussendlich nichts Weiteres als eine weitere Runde um die Sonne. Alles weitere an Bedeutung geben wir diesem Tag. Und das lohnt es zu feiern, doch es lohnt auch, sich zu fragen „Wie?“.
:Jan-Krischan Spohr
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