Bild: Meinungsfreiheit ja – Freiheit, andere zu gefährden nein., Irrsinn will Weile haben .. Bild: Lewy

Kommentar. Freiheit im Kapitalismus bedeutet immer auch die Freiheit, die anderen anzustecken.

Corona hat bislang mehr als 4,5 Millionen Tote weltweit gefordert, Deutschland kam mit fast 95.000 noch glimpflich davon, was angesichts eines kaputtprivatisierten und -gesparten Gesundheitssystems und einer inkonsequenten Pandemie-Politik alles andere als selbstverständlich ist. Einen Lockdown gab es in Deutschland nie: Betriebe wurden nie geschlossen, wie es etwa die Campagne ZeroCovid forderte. Stattdessen beschränkten sich die Einschränkungen in erster Linie auf die Freizeit der Menschen, auf nicht-produktive Bereiche wie Schulen und Unis sowie auf Einzelhandel und Gastronomie, die für die Gesamtwirtschaft vergleichsweise unwichtig sind und auch eine schwächere Lobby haben als die Großkonzerne. Mittlerweile ist eh längst wieder alles offen und neuerdings setzt man nicht mehr auf Inzidenzwerte, sondern auf die um rund einen Monat verspäteten Hospitalisierungsraten. Zugleich soll weiter gelockert werden, was das Zeug hält – womit man einmal mehr die Warnungen von Virolog:innen in den Wind schlägt. Denn diese gehen davon aus, dass im Winter wieder schärfere Maßnahmen her müssen. Dabei gehen sie allerdings von einer Impfquote von 80 Prozent aus. Die haben wir blöderweise nicht annähernd.

Was wir haben, sind eine ganze Menge Menschen, die sich nicht impfen lassen, einerseits, und eine Debatte über einen „Impfzwang durch die Hintertür“ andererseits. Diese indirekte Impfpflicht gibt es tatsächlich, und sie ist fatal: Sie spaltet die Bevölkerung in Geimpfte und Ungeimpfte, in Geschützte und Ungeschützte, in Menschen mit mehr und mit weniger Freiheiten. Und sie gibt den Unternehmen Waffen zur Gängelung der Angestellten an die Hand. Beides hat soziale Verwerfungen zur Folge und schwächt die Rechte der breiten, werktätigen Bevölkerung. Zugleich ist diese indirekte Impfpflicht nicht in der Lage, die Impfquote relevant zu steigern. Es gibt allerdings eine großartige Lösung für all diese Missstände: die echte, direkte Impfpflicht!

Die Argumente von Impfpflicht-Gegner:innen, die ernst zu nehmen sind – Querdenker:innen und Impfgegner:innen also ausgenommen –, mögen vor dem Hintergrund flächendeckender Überwachung, dem stetigen Abbau von Grundrechten und der Profitgier der Pharmaindustrie auf den ersten Blick verständlich erscheinen. Es greift aber zu kurz. Natürlich sind staatliche Eingriffe in persönliche Freiheiten grundsätzlich kritisch zu betrachten. Aber dass sich im Kapitalismus immer jemand bereichert, liegt in der Natur der Sache. Allein 2019 verdiente die Pharmaindustrie etwa an Krebstherapien weltweit 145 Milliarden Dollar. Das macht die Therapien aber nicht schlechter. Genauso wie die Maskenpflicht durch die CDU/CSU-Maskenaffäre nicht falsch wird. Und auch wenn man kein Fan von staatlichen Zwängen und Verboten ist: Schulpflicht, Tabakverbot für Minderjährige, Verkehrsregeln, Gurt- und Helmpflicht und ähnliches sind allesamt staatliche Eingriffe – und völlig richtige!

Das Absurde ist, dass eine Impfpflicht sogar im Interesse der wirtschaftlichen und politischen Eliten ist, weil sie auf dem schnellsten Weg zurück zum Normalbetrieb führen würde. Wieso aber traut sich kaum jemand, sie zu fordern? Wieso gibt es keine groß angelegten politischen und medialen Kampagnen? Die Antwort dürfte wohl in der Ideologie des Liberalismus liegen. Dieses Werkzeug des Kapitalismus fällt Politik und Wirtschaft jetzt auf die eigenen Füße: Man kann nicht Jahrzehnte lang Alkoholkonsum, niedrige Steuern und fehlende Tempolimits auf Autobahnen als den Inbegriff von Freiheit propagieren, ohne dass das Spuren in der Bevölkerung hinterlässt. In einer solchen Gesellschaft gelten dann selbstverständlich auch Masken als Maulkörbe, Hygiene-Regeln als Diktatur und eine Impfpflicht als denkbar schwerster Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Um den Zorn liberaler Fundamentalist:innen nicht zu entfachen, bleibt den führenden Politiker:innen nur der Appell an „Vernunft“ und „Solidarität“. Mit anderen Worten: Konzepte, die sie selbst schon lange beerdigt haben und die nichts weiter sind als hohle Phrasen.

:Leon Wystrychowski

 

 

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