Kommentar. Das neue Semester beginnt und damit geht die Ersti-Woche Hand in Hand. Das bedeutet für viele Alkoholkonsum und für manche lieber nicht.
Wir sind jung und naiv und gehen vielleicht beim durch die Stadt Schlendern mal an einer Schnapsleiche vorbei. Vielleicht haben wir einen Alkoholiker im entfernteren Familienkreis. Ob vom Dorf oder in der Großstadt aufgewachsen – überall gibt es Menschen, die sich darüber profilieren wollen, wie viel (harten) Alkohol sie konsumieren können. Das hört im Studium oder der Ausbildung nicht unbedingt auf. Zwar versprechen die Hallen einer Universität Bildung, angeregte Diskussionen und manchmal auch stärkere politische Ansichten, die sich herrlich formulieren lassen, aber zu Beginn des Studiums wartet auf die neuen Gesichter die Ersti-Woche, welche zu einem bedeutenden Teil von den Fachschaften ausgerichtet wird.
Ob Physiker:innen, Sozialwissenschaftler:innen oder Sportler:innen, den obligatorischen Gang ins Bermuda3Eck für eine Kneipentour oder das provisorische Flunkyball-Turnier bergen einige Studiengänge. Sie sollen Spaß machen und dienen dem Kennenlernen der Leute. Allesamt haben sie löbliche Ziele, aber was ist mit Menschen, die aus ihren ganz persönlichen Gründen partout nicht trinken wollen? Beim Flunkyball dürfen sie häufig nicht mitspielen (und/oder wollen es nicht) und bei der Kneipentour müssen sie sich rechtfertigen, erklären oder sogar verteidigen. Dabei reden wir von der Volksdroge schlechthin, die überall verherrlicht wird.
Es ist wie mit vielem, warum müssen sich diejenigen, die nicht der Norm entsprechen, einer Befragung unterziehen? Und warum gibt es nicht viel mehr Angebote, die diese Befragung außen vor lassen? Man muss doch nicht gleich als Paradiesvogel unter den Schnapsdrosseln gelten, nur weil die einzige große Kennenlernaktion mit dem Drink in der Hand einhergeht. Flunkyball ist nichts anderes als Wikingerschach mit Alkohol und wenn ein Mensch lieber Cola oder Kaffee trinkt als Bier, ist das doch auch egal.
In Deutschland gab es 2018 drei Millionen Menschen mit einer alkoholbezogenen Störung im Alter zwischen 18 und 64 Jahren, laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. Das ist nicht cool und damit sollten wir uns nicht profilieren. Und es wird nicht besser, wenn wir Leute nur durch Trinkspiele kennenlernen und andere Menschen komisch anmachen, weil sie keinen Alkohol trinken. Wie viele haben sich schon einmal gesagt: „Shit, ich mach’ lieber einen Monat Pause vom Alkohol, ich hab’s echt übertrieben“. Und wie viele schaffen das? Wie viele reagierten schon aggressiv, nur weil ein:e Freund:in meinte, er:sie findet den Konsum zu hoch.
Aus dem Alkohol-Loch rauszukommen, ist gar nicht so einfach, wenn man es mal übertrieben hat. Im schlimmsten Fall beginnt man zu zittern, man wird unruhig, gereizt und launisch. Das Herz schlägt schneller und man denkt sich, dass Alkohol helfen würde. Weil man immer auf etwas Bekanntes zurückgreift. Doch genau da liegt die Crux.
Ein weiterer blöder Effekt tritt bei Leuten auf, die einfach keinen Alkohol vertragen. Warum bringen wir Leute dazu und befeuern sie teilweise, wenn wir merken, dass die zu Arschlöchern werden, wenn sie trinken. Die Partys gehen unter 3G-Regulatur wieder los und die Meute kommt wieder zum Vorschein, welche keine Skrupel kennt, welche ein erhöhtes Aggressionspotential aufweist und welche sich auf Hauspartys einfach daneben benimmt.
Deswegen verstehe ich nicht, warum die Kennenlernaktionen an der Uni zu einem so großen Teil immer Alkohol einschließen. Wenn die Leute cool sind, dann ist es doch schnurzpiepegal, was man macht.
:Lukas Simon Quentin
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