Interview. Was bedeutet es, nichtbinär zu sein? Wie stellt man fest, dass man nichtbinär ist? Welchen Vorurteilen begegnet man als genderqueere Person? Und was könnte die Uni tun, um Leuten, die nicht in das binäre Geschlechtssystem passen, zu schützen?
Diese Fragen haben wir Feo von Queer an der RUB gestellt.
:bsz: Wie hast du erkannt, dass du nichtbinär bist?
Feo: Das ist so schwierig zu beantworten. Also, erkannt, dass ich nichtbinär bin, habe ich, weil ich mich durch Definitionen gewühlt habe. Das war letztes Jahr im Oktober oder November und da habe ich gemerkt, irgendwas ist anders, du bist irgendwie anders als andere Leute. Und dann habe ich mich so ein bisschen mit Definitionen auseinandergesetzt und bin über das Label „nichtbinär“ gestolpert und habe dann festgestellt, okay, das klingt nach mir. Weil nichtbinär ist man, wenn man sich weder männlich noch weiblich fühlt oder gar kein Geschlecht fühlt, es ist ein Spektrum. Die Geschlechtsidentität fluktuiert eigentlich bei den meisten Menschen, wenn sie nicht sicher männlich oder weiblich sind. Und ich bin entweder Agender, also, dass ich gar kein Geschlecht fühle, oder… ich würde entweder sagen Bigender oder Genderfluid. Bei mir ist es meistens eher eine männliche Ausprägung, aber manchmal fühle ich mich auch eher weiblich. Im Prinzip wusste ich das schon ganz früh, in der Grundschule habe ich das zum ersten Mal für mich gemerkt, da habe ich nie so ganz zu beiden Gruppen gehört, weil alle andere Interessen als ich hatten. Und ich war absolut kein stereotypisches Mädchen.
Welche Vorurteile stören dich am meisten?
So richtig konfrontiert wurde ich jetzt noch nicht mit Vorurteilen, aber was mich stört, ist, dass man oft gesagt bekommt „du suchst doch nur Aufmerksamkeit“ und dieses Abgestempeltwerden als „special snowflake“. Aber eigentlich will ich gar keine Aufmerksamkeit und das geht eigentlich auch den Meisten so, allerdings kriegt man das oft zwangsläufig. Und man muss sich auch jedes Mal rechtfertigen, weil die Meisten denken, es gäbe nur männlich und weiblich, aber wenn man sagt, man sei nichtbinär, dann muss man sich dafür rechtfertigen, warum man sich denn jetzt nicht weiblich fühlt. Dabei kann ich gar nicht mal beschreiben, warum ich mich nichtbinär fühle, ohne dass ich auf dieses Stereotypendenken zurückgreife, weil das die einfachste Möglichkeit ist. Das geht zum Beispiel auch Transpersonen so. Wenn Kinder merken, dass sie trans* sind, dann bleibt denen auch oft nichts anderes übrig als auf Stereotypen zurückzugreifen und das wird einem dann im Umkehrschluss auch wieder vorgeworfen, gerade weil man ja von diesem Schubladendenken weg möchte. Das ist ein Teufelskreis, den man immer wiederholt. Ein weiteres Vorurteil, das mich stört, ist, dass viele meinen „das suchst du dir doch selber aus“ oder dass man dann doch einfach als sein biologisches Geschlecht weiterleben könnte, um einfach nicht aufzufallen. Man soll ja man selbst sein, aber wie soll man das sein, wenn man sich versteckt? Man sucht es sich ja zum Beispiel auch nicht aus, schwul oder lesbisch zu sein, sondern man ist es einfach. Es ist auch total schwierig, weil man merkt, dass man nicht so akzeptiert ist, wie man ist und man sich verstellen muss.
Was würdest du dir wünschen, würde jede:r über das nichtbinäre Spektrum wissen?
Dass es das gibt! Viele wissen das nicht. Und dass das auch ernstzunehmend ist, weil das soziale Geschlecht und das biologische Geschlecht zwei unterschiedliche Dinge sind. Es gibt auch nicht die eine Nichtbinarität, es ist ein Spektrum. Nur, weil man biologisch weiblich ist und sagt, man sei nichtbinär, bedeutet das nicht, dass man nicht auch mal ein Kleid, Make-Up oder hohe Schuhe tragen kann. Sondern man macht halt all das trotzdem, nur ohne sich ausschließlich weiblich zu fühlen.
Was wünscht du dir als genderqueere Person von der Universität?
Geschlechtsneutrale Toiletten und ein queeres Referat. Ich wurde tatsächlich schon angefragt, ob ich Interesse hätte, daran mitzuarbeiten und ob das Referat von Interesse ist. Und es liegt tatsächlich im Interesse von Menschen. Was mir auch auffällt ist, dass in vielen Fachschaften die Gleichstellungsstellen binär verteilt sind. Das Problem ist, dass oft nur Frauen Gleichstellungsbeauftragte werden können, weil das System binär ist. Oft wird dann von „Frauen*“ gesprochen, der Begriff ist allerdings nicht so inklusiv wie viele denken. Das Problem mit der Gleichstellung an den Universitäten ist, dass es sich am deutschen Recht orientiert, aber das ist binär. Dabei bräuchte es eine allgemeine Überarbeitung des Rechts. Damit nicht nur die binären Geschlechter mit einbezogen werden, doch nur, wenn auch nichtbinäre Menschen mit einbezogen werden, kann Gleichstellung durchgesetzt werden. Man hat einfach viel zu wenige Grundlagen als nichtbinäre Person rechtlich handeln zu können und auch auf die eigene Gleichberechtigung pochen zu können, aber das sollte nicht so sein. Wir brauchen allgemein mehr Sichtbarkeit für nichtbinäre Personen und natürlich auch dem Rest der LGBTQ*-Community. Wir sind in total vielen Bereichen einfach nicht gleichgestellt.
Falls Ihr mehr über Queer an der RUB wissen wollt, könnt Ihr der Gruppe gerne auf Instagram folgen: @queer_an_der_rub.
Dieses Interview führte :Augustina Berger
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