Bild: Symbolbild, Fasten in Coronazeit Bild: lewy

Ramadan ist der neunte Monat des islamischen Kalenders. Weil dieser sich nach dem Mond richtet, wandert er durch das Sonnenjahr und findet daher jedes Jahr zehn bis zwölf Tage früher statt. Zudem gibt es Muslim:innen, die sich an die aufgrund astronomischer Berechnungen vorhergesagten Daten halten, was den Beginn des Ramadan angeht. Andere richten sich strikter nach den Vorgaben im Koran, denen zufolge, der Monat erst beginnt, wenn in Saudi-Arabien, dem Ursprungsland des Islam, die erste Neumondsichel zu sehen ist, was zu einer Verzögerung von einem Tag führen kann. Der islamischen Überlieferung zufolge wurde im Monat Ramadan der Koran, das Wort Gottes, herab gesandt. Den Vorgaben des Koran zufolge fasten Muslim:innen den gesamten Monat hindurch, was bedeutet, sie verzichten von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang auf Essen und Trinken, auf sexuelle Handlungen und Rauchen. Stattdessen wird besonderer Wert auf das Gebet, das Lesen des Koran und die innere Einkehr gelegt. Bei Sonnenuntergang wird gemeinsam das Fasten gebrochen (Iftar) und gebetet. Am Ende des Monats findet das dreitägige Fest des Fastenbrechens (Eid al-fitr), hierzulande besser bekannt unter dem türkischen Namen Zuckerfest, statt.

:Leon Wystrychowski

 

Stimmenfang!

„Muslime leben seit schon so lange in Deutschland und trotz allem kommen dieselben Fragen. Im Endeffekt hat sich nichts geändert: Bis zum Sonnenuntergang essen und trinken wir in der Zeit des Ramadan nichts. Ungeachtet dessen kommen Aussagen wie, ‚Dürft ihr wirklich nichts essen?‘ oder ‚Das ist doch gar nicht gesund!‘ Die Leute vergessen das ganze Schöne um diese Zeit! Das Miteinander, die Familie und das gute Essen!“

„Von nicht-Muslim:innen kommen häufig die Fragen, ‚Nicht mal Wasser?‘ oder, dass es total ungesund sei. Auch in Zeitungen wird dieser Stereotyp reproduziert. Aber, dass es ein Zugehörigkeitsgefühl für uns ist, wird nie angesprochen. Ich finde das schwierig, dass etwas auf der einen Seite ungesund ist, aber auf der anderen Seite Intervallfasten zu dem neuen healthy Lifestyle gehört.“

„Ramadan ist für mich ein Zusammengehörigkeitsgefühl! Nach dem Motto: ‚Wir machen das zusammen‘. So macht es für mich das Fasten auch wesentlich einfacher! Diese Liebe und Ruhe und in sich kehren und das Gemeinschaftliche, das macht die Zeit aus. Auch wenn immer dieselben Fragen kommen bezüglich der Gesundheit.“

„Ehrlich gesagt sind die Fragen rund um die Gesundheit die nervigsten und die kommen jedes Jahr immer wieder! Ich fokussiere mich auf meine Familie und die gemeinsame Zeit. Ich faste seit 21 Jahren und das Gemeinschaftsgefühl macht diese Zeit so besonders. Vor allem in der Zeit mit Corona empfinde ich das als sehr wichtig.“

:bena

 

Entspannter, aber einsam

Wie Ramadan in mehrheitlich muslimischen Ländern gefeiert wird, unterscheidet sich stark von der Praxis in Westeuropa. Seit Corona gibt es weitere Umstellungen.

Während des Ramadan passt sich das öffentliche Leben in der islamischen Welt stark an. Überhaupt findet das Leben in vielen Ländern des Südens das ganze Jahr über eher in den Nachmittags- und Abendstunden als tagsüber statt: Die heiße Mittagssonne wird gemieden, Geschäfte und Märkte haben dafür bis spät in die Nacht und früh morgens geöffnet. Die Regeln für das islamische Fasten, die bei Nichtmuslim:innen hierzulande oft als hart angesehen werden, entstanden in einem solchen sozialen Kontext. In der Diaspora sieht das ganze anders aus: In einem Land wie Deutschland wird tagsüber gearbeitet, Rücksicht auf die religiösen Bräuche von Minderheiten werden im Alltag wenig genommen. Das stellt Muslim:innen natürlich vor andere Herausforderungen als ihre Glaubensgeschwister in mehrheitlich muslimischen Ländern. Vor allem aber wird der Ramadan in erster Linie in der eigenen Familie oder Gemeinde gefeiert, auch wenn Muslim:innen sich immer über das Interesse und die Beteiligung von Nichtmuslim:innen freuen und nichtmuslimische Freund:innen gerne zum Iftar eingeladen werden. Dieser zwangsläufige Peergroup-Charakter kann schnell in Einsamkeit umschlagen, wenn Muslim:innen kein muslimisches Umfeld haben, etwa bei Studierenden, die alleine in die Unistadt gezogen sind.

 

Dieses Phänomen hat sich während Corona deutlich verschärft: Fragt man Muslim:innen, was ihnen als erstes in den Sinn kommt, wenn sie an Ramadan in Corona-Zeiten denken, dann lautet die Antwort Einsamkeit und Vereinzelung: Zwar sind die Moscheen unter Hygieneauflagen geöffnet, aus Angst, weil man mögliche Kontakte vermeiden will und auch weil das Gebet mit Abstand nicht als das gleiche empfunden wird, bleiben die meisten den Moscheen fern. Das Fastenbrechen findet im engsten Familienkreis statt, manchmal auch zu zweit oder dritt mit Freund:innen. Manche treffen sich per Videochat zum Iftar und auch Gebete und Gottesdienste werden per Livestream gesendet, aber auch diese Angebote stoßen insbesondere bei älteren Generationen auf starke Skepsis. Trotzdem versuchen viele auch etwas Positives zu finden: Wer im Homeoffice arbeitet oder von zuhause aus studiert, freut sich über die zusätzliche Ruhezeit, entfallende Wege, weniger körperliche Anstrengungen, das längere Schlafen morgens und dass man nach der Heimkehr abends nicht noch schnell für sich oder eventuelle Gäste kochen muss.

:Leon Wystrychowski

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