Bild: Nicht ohne Pflegepersonal: Ein starkes Gesundheitssystem braucht eine Starke Pflege! , Über die Situation der Pflege Bild:kiki

Interview.  Wir haben uns mit einer Krankenpflegerin zusammengesetzt und sie nach ihrer Meinung zur derzeitigen Situation der Pflege gefragt. Was sie uns zu sagen hatte, erfahrt Ihr jetzt.  

:bsz: Hallo, schön, dass Sie sich die Zeit nehmen für mich. Kommen wir auch direkt zur ersten Frage:  
Wie groß ist die Sorge in der Pflege, dass die Situation so wird, wie vor einer Woche in Belgien oder Anfang des Jahres in Italien? 

Krankenpflegerin: Die Sorge ist nicht ganz so groß, da wir im Vergleich zu anderen Ländern deutlich mehr Kapazitäten haben. Das heißt mehr Intensivstationen mit Betten und den nötigen Beatmungsgeräten. 

 

Wie wird derzeitig mit der von COVID-19 verursachten Pandemie umgegangen? 

Es werden bereits kleinere Operationen abgesagt, wie es Anfang des Jahres der Fall war. Auch werden Stationen frei geräumt, um mehr COVID-19 Patienten aufnehmen zu können. Auf der Geburtenstation beispielsweise liegen sehr viele Schwangere mit Corona zur Überwachung, um schnellstmöglich handeln zu können.  

 

Haben Pflegekräfte eine Gewerkschaft/Kammer oder ähnliches? 

Eine Pflegekammer gibt es nicht. Es gibt aber Gewerkschaften denen man beitreten kann; wie beispielsweise ver.di.

 

Was sind laut Ihrer Meinung die größten Probleme der Pflege? 

Der vorherrschende Personalmangel ist das größte Problem in der Pflege. Dadurch ist eine professionelle Pflege der Patienten oft nicht möglich. Man hat nicht genug Zeit für die einzelnen Menschen und muss als Pflegekraft manchmal 15 Patienten alleine versorgen, was es unmöglich macht, sich Zeit für Patienten zu nehmen und auch auf psychischer Ebene für sie da zu sein. Man hat schlichtweg keine Zeit für ein kurzes Gespräch o.ä. Diese sind aber wichtig für Patient:innen. Durch strengere Besucher:innenregeln in Krankenhäusern, sind Patient:innen dazu noch mehr auf solche Interaktionen angewiesen.  

 

Lassen sich gewisse Probleme in der Pflege leichter lösen als andere? 

Um den Personalmangel in der Pflege zu bekämpfen, muss das Image des Berufes aufgebessert werden. Man kann noch so viele freie Stellen schaffen, wenn es kein professionelles Personal gibt, welches diese Stellen besetzt, nützt das aber nicht viel. Eine bessere Bezahlung hätte wahrscheinlich schon einen positiven Einfluss auf dieses Problem. 

 

Worauf leiten Sie den in Deutschland herrschenden Pflegekräftemangel zurück? 

 Es gibt keine angemessene Vergütung für die Verantwortung und Belastung, der man ausgesetzt ist. Auch körperlich und psychisch ist dieser Beruf sehr anstrengend. Die Arbeitszeiten sind schlecht – Schichtdienst im 3-Schichten-System und arbeiten an Wochenenden und Feiertagen. Dazu ist das Image des Berufs sehr schlecht. Immer wieder musste ich mich rechtfertigen für die Wahl meines Berufs und musste mir Sätze anhören wie: „Du hattest schon immer ein Helfersyndrom.“ oder „Das könnte ich nicht!“. Dabei sollten eigentlich für jede:n, die:der diesen Beruf ausüben möchte, keine Imageprobleme im Weg stehen, da es eigentlich ein sehr interessanter, vielseitiger und schöner Beruf ist. 

 

Welche Möglichkeiten gibt es den Beruf in der Pflege attraktiver für Auszubildende zu gestalten? 

Man muss aufhören, mit falschen Illusionen vom Krankenhausalltag, wie es in verschiedenen Fernsehserien oder so der Fall ist, wo Pflegekräfte schlecht dargestellt werden beziehungsweise als selbstverständlich wahrgenommen werden. Die Arbeit im Krankenhaus ist Teamwork. 

 

Welche Rolle spielt die Pflege in einem funktionierenden Gesundheitssystem?  

Ganz einfach: Ohne die Pflege würde jedes Krankenhaus untergehen. Man kann die allerbesten Ärzte und Chirurgen haben, wenn sich nach einer Operation o.ä. niemand um die Patienten kümmert, würden keine Operationen mehr stattfinden. Die Pflege ist 24/7 jeden Tag für die Patienten da. Sie sind die, die den Patienten am nächsten sind und am meisten Zeit mit diesen verbringen. Uns fallen Veränderungen, Verschlechterungen oder auch Notfälle meist als erstes auf.  

 

Würden Sie die aufkommenden Mängel in der Pflege auf die Pandemie zurückführen oder waren die bereits vorher schon problematisch? 

Die Probleme bestehen seit Jahren. Aber man bekommt es als Außenstehende Person nicht mit, außer man liegt selbst im Krankenhaus auf einer Station, die unterbesetzt ist. Durch die Pandemie bekommt jetzt ein Großteil der Gesellschaft mit, wie drastisch die Probleme sind. Wir haben in Deutschland eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, dies bringt aber nicht viel, wenn es an Fachpersonal mangelt, das sich um die Patienten kümmert. Wir hätten noch viel mehr Intensivplätze für COVID-19 Patienten frei, diese sind jedoch aufgrund des jahrelangen Personalmängel nicht belegbar. Auf fast allen Stationen sind Betten gesperrt, weil sich niemand um die Patient:innen kümmern könnte. Naja, vielleicht schätzen nach dieser Pandemie mehr Menschen diesen Beruf. Es muss sich etwas grundlegend ändern. Ich persönlich denke aber, dass dies nicht in Kraft treten wird. 

 

 

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