Kommentar. TikTok erscheint die App der Quarantänezeit zu sein. Kreativ und zeitraubend gestaltet sich das Netzwerk nun auch für die älteren Generationen. So harmlos wie es auf dem ersten Blick erscheint, ist das jüngste Soziale Medium aus China aber nicht.
Schaut Ihr in Eure App-Charts werdet Ihr sehen, dass WhatsApp nicht mehr die unangefochtene Nummer eins unter den Gratis-Apps ist. TikTok ist der „neue“ Scheiß. Die App, die ehemals Musical.ly hieß, wurde im November 2017 für rund eine Milliarde vom chinesischen Internetriesen „Bytedance“ gekauft und reformierte ihre Features zu der Hype- und Social-Video-App: TikTok. Und wie die Vorgänger-App, die unter dem Verdacht stand, als Paradies für Pädophilie zu gelten, da anonyme Nutzer*innen junge Mädchen dazu verleiteten, ihre Videos in knapper Kleidung zu drehen, steht auch TikToks Image der Happy-App auf der Kippe. Denn neben den tollen Videos von der obersten Celebrityriege, Dancechallenges und Memes, steht TikTok auch für Zensur und Diskriminierung. Das Erste kommt Euch bekannt vor, oder? War ja auch groß in den Nachrichten, dass chinakritische oder politische Videos in dieser App kaum bis nicht existent sein dürfen. Oder, dass sämtliche Daten von den Nutzer*innen gespeichert werden und das auch außerhalb der App. Nun wer entscheidet, was Ihr auf der „For You-Page“ (Startseite) sehen dürft und was nicht. Dafür gibt es Moderator*innen! Sie überblicken die Videos und entscheiden, welche zur Plattform passen und welche nicht. Für Deutschland wird in Berlin, Barcelona und Peking aussortiert. Was aussortiert wird, ist nicht gleich weg. Es befindet sich noch auf dem Profil, nur dass es für die anderen nicht sichtbar ist, ein sogenannter „Shadow Ban“. Ob man also gefeatured wird, auf der „For You-Page“ landet oder doch nur für die eigenen Follower*innen sichtbar ist, das entscheiden die Moderator*innen in Bruchteilen von Minuten.
Die Reise durch die Happyworld namens TikTok wird also gesteuert, doch je tiefer man in den Kosmos gelangt, desto höher die Diskrepanz zwischen Gut und Böse. Die Reichweite von queeren, übergewichtigen und behinderten Menschen wurde begrenzt. Denn ihre Videos würden grundsätzlich als Mobbing-Risiko beachtet werden. Mit einer gedeckelten Reichweite würden dieses weniger negative Kommentare bekommen und so könne man sie schützen – ungeachtet des Inhaltes. Und wer ist das nächste Opfer in der Happyworld-Aussortiererei? Well you guessed right! Die „Black Indigenous People of Color“ (BIPoC) und auch hier heißt es, je dunkler man ist, desto schlimmer! Also Rassismen in der glücklichen Scheinwelt des Internets? Aber klar! Und das nicht nur von weiß gelesenen Menschen. Die „People of Color“-Community macht direkt mit. Auch, wenn diese in manchen Challenges selbst als Opfer dargestellt werden, spielen sie mit im Spiel des Diskriminierens. Es gibt aber auch nichts Witzigeres, als sich über Sklaverei oder Polizeigewalt gegen Schwarze lustig zu machen und sich die Bestätigung der Follower*innen und des künstlichen Algorithmus zu Erfolg, versteht sich. Doch mit dem Erfolg kommen auch die Konsequenzen. So kann es durchaus sein, dass aufgrund eines lustigen rassistischen Videos der High-School-Abschluss auf der Kippe steht, da man suspendiert wurde. Oder der Vater einen ins nationale Fernsehen schleppt und man sich „entschuldigen“ muss. War ja nie böse gemeint.
Die Creator der Videos und die Moderator*innen wissen genau zu filtern und wie weit sie gehen können. Mit dem bitteren Beigeschmack, dass Videos von BIPoC schneller zensiert und von der Plattform genommen werden, als die „Trending-Racist-Videos“.
Die TikTok Bubble trennt somit die Spreu vom Weizen und lässt Stereotypen und Rassismen freien Lauf und macht Alltagsrassismus zum Trend. Also viel Spaß mit den Baumwollpflückchallenges oder weißen Kiddies, die das N-Word sagen und sich damit 15 Sekunden Fame gönnen.
:Abena Appiah
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