Bild: Planetarium meets Schauspielhaus Bild: fufu

Kultur. Das Planetarium und das Schauspielhaus Bochum unter einer Decke. Bitte eintauchen!

Sterne gucken? Filme gucken? Theater gucken? In die Zukunft blicken? Kann ich das nicht irgendwie alles kombinieren? Eine Art und Weise diesen Triebfragen nachzukommen, war das DIVE-Festival, das vom 21. bis 24. November in Bochum stattfand. Es handelte sich sowohl um die Weltpremiere des Festivals, als auch die der Zusammenarbeit zwischen Planetarium und Schauspielhaus. Digitale Immersion, Virtuelle Klangräume und Theater Environments, oder kurz: DIVE, ein Festival für immersive Künste, das dazu einladen sollte, in ganze neue Erfahrungswelten einzutauchen. Und das alles Mitten im Herzen des Ruhrgebiets. Aber… tauchen in Bochum?

„Die Stadt Bochum will ihre Stärken pflegen und zeigen“, heißt es und so gehöre zur Bochum Strategie 2030, die Stadt zu einem Hotspot der Livekultur zu gestalten. Denn so etwas wie ein Festival immersiver Live-Kultur „hat noch kein Planetarium versucht“, heißt es weiter von Prof Susanne Hüttemeister, ihrerseits Astrophysikerin und Leiterin des Planetariums. Klingt alles erstmal ko(s)misch. Doch was gab es an den vier Tagen in Bochum zu sehen und zu erleben? Redakteur :fufu war dabei.

Was es zu sehen und erleben gab

Begehbare-, visuelle- und sinnesreizende Kunst stand auf dem Programm des ersten DIVE-Festivals. Da, wo sonst eher Sternenbilder bewundert werden, wurde vergangenes Wochenende ein Schritt in eine voll-technisierte Richtung der Kunstentwicklung gewagt. An vielen Stellen wirkte es fast wie Science-Fiction. Eine Verschmelzung aus darstellenden Künsten und technischen Errungenschaften im symbiotischen Einklang. Alles um ein möglichst packendes Erlebnis für die Zuschauer*innen zu erzeugen, denn sie sollen voll und ganz in die generierten Welten eintauchen.
An drei Spielstätten gab es für die Besucher*innen von DIVE die Möglichkeit, etwas ganz neues zu erleben und die Sinne zu stimulieren. Sei es in Zeche 1, im Oval Office des Schauspielhaus oder dem Planetarium Bochum. Es galt neue Welten zu erkunden.

In Zeche 1 wirkte das Ganze auch wahrhaftig wie eine Erkundungsmission. Die „sensefactory“ wollte nämlich alle Sinne beanspruchen: In einer großformatigen, performativen Installation wurden Architektur, Sinneswahrnehmungen und KI-Technologie zu einem umfassenden multi-sensorischen Erlebnis vereint. Man sollte den dafür generierten Raum sehen, hören, fühlen, schmecken und riechen können. In dieser Installation fühlte man sich wie auf den Korridoren einer Plüsch-Raumstation. Weiche Wände aus Luft, die immer wieder neue Wege und Räume eröffnen oder verschließen. Vielen Besucher*innen zauberte dies ein Lächeln ins Gesicht, denn das Ganze hatte etwas von einer künstlerischen Spielefabrik. Auf jeden Fall wurde der Entdecker*innengeist herauf beschworen, aber auch zum Verweilen und Träumen in den wohlduftenden Luftkissenburgen eingeladen. Den Soundtrack – oder eher gesagt, die Komposition – und das Sounddesign dafür lieferte Künstler und Musikproduzent FM Einheit.

Großes Highlight für viele Besucher*innen des Festivals war die Performance „Trajectories“ von Chikashi Miyama, bei der er mithilfe einer Art Motion-Capturing-Handschuhen die visuellen Inhalte der Planetariumskuppel verändern konnte, während er wie bei einem Theremin durch die Bewegungen seiner Hände gleichzeitig den Sound steuerte. Tanz plus Echtzeit-Datenübertragung durch Handschuhe. Kaum auszumalen, was die Zukunft auf diesem Feld bringen mag. Miyama selbst ist darüber hinaus nicht nur Performer, Musiker und Künstler, sondern auch maßgeblicher Entwickler eines 3D-Audioprofils, von dem er bei „Trajectories“ Gebrauch macht. Kai Schuhmacher trat mit einer Kombination aus zeitgenössischer Klaviermusik, immersiven Visuals und 3D-Audio auf: eine Gelegenheit, die sich häufiger im Bochumer Planetarium ergibt, da er dort mit seiner „Fulldome-Konzerterfahrung“ zu bekannten Gesichtern des Musikprogramms im Planetarium zählt.
Fokus-Künstler des DIVE war Ulf Langheinrich, der gleich drei Kunstprojekte zum Festival für immersive Künste beisteuerte. Im Oval Office des Schauspielhauses gab es die Weltpremiere seines Video-Installations-Kunstwerks „Waveform X“, das auch noch über das DIVE-Festival hinaus täglich (außer montags) von 17-22:45 Uhr bis Mitte Januar 2020 besucht werden kann, zum freien Eintritt. Dabei bekommt Ihr am Eingang der Installation 3D-Brillen zur Verfügung gestellt, die das Kunstwerk erst richtig zur Geltung bringen, ganz nach dem Motto: „Flimmerkasten war gestern!“ Zwei weitere der Arbeiten wurden im Planetarium gezeigt: Das für das Rimaeuropa-Festival im Jahr 2006 entwickelte Werk „Hemisphere“ sowie die 2017 entstandene Licht-Performance unter dem Namen „Lost“. Das Werk „Hemisphere“ verbindet Sound, Licht und Video zu einem hypnotischen Trip, der während seiner Laufzeit immer mehr in den Bann zieht. Besonders aber das Werk „Lost“ spielte exzessiv mit den Sinneswahrnehmungen der Zuschauer*innen. Tobias Staab vom Schauspielhaus Bochum und einer der Kuratoren von DIVE, beschrieb das Werk als eine „Nahtod-Erfahrung“ und als eine Arbeit, die er so nirgendwo auf der Welt kenne. Und „Lost“ wurde seinem Namen vollends gerecht: Durch Stroboskob-Lichter, die am unteren Ring der Planetariumskuppel aufgestellt waren, wurde dafür gesorgt, dass den Zuschauer*innen Hören und Sehen verging. Man fühlte sich wie in einer Art Trancezustand, bei dem Raum und Zeit mehr und mehr ausgeblendet wurden. Obwohl das Werk auf Video-Projektionen verzichtet, hatte man das Gefühl, Dinge und Formen zu sehen, die gar nicht wirklich da sind. Es war zeremoniell und wurde genau wie „Hemisphere“ mehrfach von Besucher*innen mit einer quasi Trip-Erfahrung verglichen. Dies führte vermutlich auch zu der Entscheidung, noch eine Late-Night-Zusatzvorstellung von „Lost“ anzubieten, bevor dann zu feinsten elektronischen Klängen in der DIVA 360°-Disco getanzt wurde.

Feiern unter der Kuppel des Planetariums sollte bei dem Festival auch möglich sein. Dafür standen die Tore des Planetariums Samstagnacht zu freiem Eintritt nicht nur Besucher*innen des Festivals, sondern allen, die Lust hatten, in ungewöhnlicher Atmosphäre zu feiern, offen. In einem sehr vollen Planetarium wurde getanzt, getrunken oder doch einfach weiter von den bequemen Sternengucker*innen-Sesseln der Videohimmel bewundert. Denn während der ganzen Partynacht wurden weiterhin Bilder wie aus anderen Welten an der Decke des Sternentheaters gezeigt. Immerwieder unterbrachen die Besucher*innen das Tanzen, um kurz innezuhalten, zu staunen oder die 360°-Videos zu photographieren. Das Hoodoomobil DJ-Team sorgte für den passenden Sound und regte bis tief in die Nacht zum Tanz unter Sternen und schwarzen Löchern an.

Alles im allem kann man zu dem DIVE-Festival zusammenfassend nur sagen: Es fühlte sich wirklich wie ein Schritt in die Zukunft an! Man kann nur hoffen, dass es 2020 eine zweite Ausgabe dieses Festivals in Bochum geben wird. Ich male mir derweil schon mal aus, wie das Festival in fünf bis zehn Jahren aussehen könnte, bevor dann gleich wieder die Zwillingssonnen untergehen!

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