Kunst. Vergangene Woche eröffneten zwei Ausstellungen: „¡Ni Una Menos! – Bilder einer argentinischen Bewegung gegen sexualisierte Gewalt“ thematisiert die Frauenbewegung in Argentien und „Der Alt-Right-Komplex – Über Rechtspopulismus im Netz“ untersucht rechte Tendenzen im Netz.
Der Alt-Right-Komplex
„Alt-Right“ leitet sich von „Alternative-Right“ ab. Der Begriff bezeichnet eine Ideologie, die sich vor allem in der USA am äußersten Rande der politischen Rechten bewegt. In den Gruppierungen dieser Ideologie herrschen Rassismus, Islam- und Frauenfeindlichkeit vor. „Komplex“ ist eine Anspielung auf das Buch „Der Baader-Meinhof-Komplex“ sowie auf den Filmtitel des Dokumentarfilms „Der NSU-Komplex“.
Beide Worte zusammen bilden den Titel der Ausstellung im Dortmunder U: „Der Alt-Right-Komplex – Über Rechtspopulismus im Netz“. Zu Beginn des Rundgangs führt ein Glossar, bestehend aus 32 Begriffen, in diesen Themenkomplex ein, denn „Alt-Right“ ist keine einheitliche Bewegung, sondern hat unterschiedliche Stränge. Sie entwickelte sich vor allem im Internet und beinhaltet Plattformen wie „Breitbart News“. Die Kuratorin der Ausstellung, Inke Arns vom Hartware MedienKunstVerein, stellt Werke und Projekte von 16 Künstler*innen aus zwölf Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Kanada aus und deckt somit verschiedene Blickwinkel ab. Neben Comics, Wandbildern oder Netzkunst gibt es auch
Videos und Installationen.
Gefahren der Menschheit
Der Bildende Künstler Jonas Staal beschäftigt sich in seiner Installation „Steve Bannon: A Propaganda Retrospective (visual ecology)“ mit dem Kampagnenmanager und späteren Senior White House Berater von US-Präsident Donald Trump. Durch seine Tätigkeit als Breitbart-News-Chefredakteur gilt er als Sturmgeschütz der Alt-Right-Bewegung. Was viele nicht wissen, ist, dass er zwischen 2004 und 2018 als Filmemacher etwa 10 Filme produzierte, in denen er die Bedrohungen der weißen Rasse thematisiert. Der Künstler schaute sich die Gefahren, die der Filmpamphlet aufmacht, an und arbeitete zehn Bedrohungen heraus, die er auf zehn Bildschirmen präsentiert. Zu sehen sind Filmausschnitte aus diesen Filmen. So sehen wir bei „Predatory Animals“ bedrohliche Haie, jagende Löw*innen, aber auch Dinosaurier. Dies sind visuelle Chiffren. Zum Beispiel stehen die Dinosaurier für die Demokrat*innen, die aussterben, weil sie sich nicht anpassen können. Die Apokalypse könne nur von den weißen christlichen Wirtschaftsnationalist*innen
abgewendet werden.
Memes als Sprachrohr
Wie gefährlich die Sprache der Populist*innen sein kann, wird auch bei Memes deutlich, die das Künstler*innenduo „Disnovation.org“ in „Online Culture Wars“ thematisiert. In einem Video präsentieren sie die Macht der Memes. Diese können zunächst komplett unpolitisch sein, aber durch eine andere Verwendung erhalten sie eine politische Message. Man sieht dies am Beispiel von „Pepe der Frosch“, einer zunächst unschuldigen Comicfigur. Die rechte Szene veränderte die Figur und verwendet sie vor allem in Bezug auf Donald Trump, sodass der Frosch nun eine politische Bedeutung hat. Die Künstler*innen fassen einflussreiche politische Akteur*innen, Symbole sowie politische Memes zusammen und stellen sie in einer großen Karte aus. Der politische Kompass kategorisiert die Memes auf den Achsen Links-Rechts und Freiheitlich-Autoritär. Zum Beispiel befindet sich Winnie Puuh bei autoritär-links direkt neben dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas, Xi Jinping. Über das Warum kann man zunächst nur spekulieren. Ein Blick ins Internet zeigt, dass oft auf die ähnliche Mimik angespielt wird.
¡Ni Una Menos!
Alle 30 Stunden passiert in Argentinien ein Feminizid. In Mexiko alle zwei Stunden. Diese erschreckenden Zahlen spiegeln eine traurige Realität in Südamerika wieder. Machistische Gewalt ist keinesfalls ein ausschließlich lateinamerikanisches Problem, viel mehr wurde in Zeiten von #TimesUp oder #metoo deutlich, dass man in einem weltweiten
Dilemma steckt.
Als am 11. Mai 2015 die 14-jährige, schwangere Chiara Paez totgeprügelt und unter dem Haus ihres Freundes vergraben, aufgefunden wird, geht ein Aufschrei durch Argentinien: „¡Ni Una Menos!“ – zu deutsch: „Nicht eine (Frau) weniger“ ist der Slogan, unter dem seit Juni 2015 in Argentinien große Demonstrationen gegen Feminizide und sexualisierte Gewalt veranstaltet werden.
Ausgehend von Buenos Aires zieht diese Bewegung seitdem immer größere Kreise und ist mit Hilfe von sozialen Medien in den letzten zwei bis drei Jahren regelrecht explodiert. Verschiedene Mileus und Altersklassen schließen sich inzwischen dieser Bewegung an und helfen dabei, die Bevölkerung Lateinamerikas für diese wichtige Thematik zu sensibilisieren.
Bilder aus Argentinien
Mittlerweile ist der Slogan „¡Ni Una Menos!“ fest in der Argentinischen Gesellschaft verankert und wird auch außerhalb Lateinamerikas bereits solidarisch aufgegriffen. Als Jakob und Anna, zwei Backpacker*innen aus Deutschland, auf einer Reise durch Südamerika den argentinischen Fotografen und Aktivisten Juan Mathias kennenlernen, zeigt dieser ihnen Bilder, die er ihm Zuge von ¡Ni Una Menos! – Demonstrationen gemacht hat.
Er erzählt ihnen von der langen Geschichte des Kampfes für Gleichstellung der Geschlechter in Argentinien, angefangen bei kleinen, lokalen Frauengruppen, die sich dazu ermutigten, ihre Erfahrungen zu teilen und gemeinsam aufzuarbeiten, bis hin zu seinem Wunsch, mit Hilfe seiner Bilder einen kleinen Teil zu diesem Kampf beizutragen und ihn global sichtbar zu machen.
Berührt von seiner Geschichte und von seinen Fotos, die einen sehr intimen, künstlerischen Einblick in diese Bewegung ermöglichen, nahmen Anna und Jakob die Bilder von Juan Mathias mit auf ihre Rückreise nach Deutschland, mit dem Versprechen, ihn bei seinem Wunsch zu unterstützen.
Erste Station
Seitdem haben sich Jakob und Anna, zusammen mit ihren Freund*innen Lena und Ronja, auch hier dem Kampf der argentinischen Bevölkerung angeschlossen und versuchen in Bochum und darüber hinaus auf Probleme von alteingesessenen Macho-Kulturen hinzuweisen.
Sie begaben sich auf die Suche nach möglichen Ausstellungsorten im Ruhrgebiet und fanden schließlich Unterstützung in Personen wie Karina und Patrick vom Team Kulturzentrum Bochum Bahnhof Langendreer bzw. endstation.Kino, in dessen Galerie die Fotos von Juan Mathias noch bis Ende April bewundert werden können.
Ebenso Teil der Ausstellung ist eine weiße Wand, die mit anonymen, persönlichen Erfahrungen der Besucher*innen gefüllt werden soll, in denen sie sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren oder in denen sie sich sexuell belästigt fühlten. Nähere Informationen zu Anlaufstellen für Betroffene sowie Informationsflyer von verschiedenen Frauenhäusern im Umkreis liegen ebenfalls im Ausstellungsraum aus und sollen Besucher*innen, Betroffenen oder den Angehörigen von Betroffenen zeigen, dass wir heute in einer Zeit leben, in der ihre Stimmen gehört werden.
Der „Alt-Right“-Komplex ist noch bis zum 22. September im Dortmunder U auf der 3. Etage zu den Öffnungszeiten des U zu sehen. Der Eintritt ist frei.
„¡Ni Una Menos!“ kann noch bis Ende April kostenlos innerhalb der Öffnungszeiten des endstation.Kino besucht werden. Der Eintritt ist frei.
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