Mitbestimmung. Im Februar gründeten die Kölner LieferantInnen von Deliveroo einen Betriebsrat, um die schlechten Arbeitsbedingungen zu verbessern. Nun ist dessen Bestehen bereits gefährdet.
Nicht ausgezahlte Gehälter, Arbeitskleidung aus eigener Tasche, Stundenlöhne, die unter dem Mindestlohn liegen. Dies sind die Probleme, weswegen die fahrradfahrenden LieferantInnen von Deliveroo im Sommer 2017 anfingen, sich zu organisieren. Nach der Kontaktaufnahme zur Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) leitete diese im Dezember die Wahlen des Betriebsrats ein, der im Februar gegründet wurde. Die wesentlichen Ziele der LieferantInnen sind länger befristete Verträge, bessere Löhne, sowie die Kostenübernahme von Reparaturen oder wetterfester Kleidung. Der Arbeitgeber begrüßte die Gründung des Betriebsrats. Doch in der Wahrnehmung des Betriebsratsvorsitzenden Orry Mittenmayer waren dies leere Worte: „Es ist leider das Gegenteil gekommen. Deliveroo hat da erst angefangen, richtig Druck zu machen.“ Seitdem die ArbeiterInnen begannen, sich zu organisieren, ließ Deliveroo die Verträge der Beschäftigten auslaufen. Im Zeichen einer Umstrukturierung beauftragt der Lieferdienst nun vermehrt selbstständige FahrerInnen. So schrumpfte die Zahl der Festangestellten seit Dezember von ungefähr 140 auf unter 30, so Mittenmayer. Auch sein Vertrag läuft im Mai aus.
Fadenscheinige Dementi
In einer Äußerung gegenüber NGIN Food wies das Unternehmen die Vorwürfe der Betriebsratslähmung zurück: „Keiner unserer Fahrer wurde jemals aufgrund einer Tätigkeit im Betriebsrat entlassen oder sein Vertrag nicht verlängert.“ Trotz dieses Bekenntnisses ist Deliveroo nicht bereit, den Mitgliedern des Rats vertragliche Sicherheit zu gewähren. Als die Betriebsräte vorschlugen, zumindest deren Verträge auf die Laufzeit ihrer Ernennung zu verlängern, schrieb das Unternehmen in einer Mail, die uns aus gewerkschaftlicher Quelle vorliegt, dass Deliveroo „keine Verlängerung der Verträge anbieten kann, da dies mit der Geschäftsstrategie nicht in Übereinstimmung zu bringen“ sei.
Die letzten Züge?
Die Verantwortung für bessere Arbeitsverhältnisse sieht Sarah Jochmann von der LieferantInnen-Aktionsgruppe „Liefern am Limit“ jedoch nicht nur im Unternehmen, sondern primär in der Politik: „Das Problem ist, dass ein Unternehmen wie Deliveroo Investorengetrieben ist und auf Gewinn aus ist. Das muss die Politik ändern, indem sie zum Beispiel sicherere und längere Verträge ermöglicht.“
Während ihre Verträge auslaufen, versuchen die restlichen Ratsmitglieder Deliveroos weiter Druck auf ihren Arbeitgeber aufzubauen, indem sie sich an die Öffentlichkeit wenden. Ein weiteres Druckmittel der FahrerInnen ist, sich an die Restaurant-Kunden Deliveroos zu wenden. Viele der Restaurants wissen nicht um die Arbeitsbedingungen bei Deliveroo und erwägen dann, ob sie die Verträge mit dem Unternehmen verlängern wollen. Allerdings sieht Mittenmayer dies nicht als den Lösungsweg; „Wir wollen Deliveroo ja nicht auflösen. Ich finde, da muss man sehr vorsichtig sein. Zumal es meine Aufgabe als Betriebsrat ist, das Unternehmen zu schützen.“ Auch Jochmann engagiert sich aus Leidenschaft für den Job. „Eigentlich ist diese Arbeit genial. Ich mach das total gerne. Wenn diese ganzen Rahmenbedingungen nicht wären, würde ich mich gar nicht beschweren“, so die Lieferantin.
:Stefan Moll
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