Pressefreiheit. Am vergangenen Freitag entließ ein türkisches Gericht Deniz Yücel aus der Untersuchungshaft. Doch auch weiterhin sitzen viele JournalistInnen in türkischen Gefängnissen.
Die Medien jubelten, als der Journalist Deniz Yücel am Freitag aus der Untersuchungshaft freigelassen wurde. Begleitet durch ein Bild, auf dem sich Deniz und seine Frau Dilek Mayatürk Yücel umarmen, war dies ein Moment des Aufatmens für viele Menschen. Dass seine Entlassung nur ein Anfang sein kann, weiß Yücel selbst. In einer Videobotschaft sagte er: „Es bleibt etwas Bitteres zurück. Ich habe meinen Zellennachbarn zurückgelassen und viele andere Journalistinnen und Journalisten, die nichts Anderes getan haben, als ihren Beruf auszuüben.“ Am selben Tag, an dem Yücel freigelassen wurde, verurteilte ein Gericht in Istanbul sechs JournalistInnen und Medienangestellte zu lebenslangen Haftstrafen wegen angeblicher Verbindung zu terroristischen Organisationen. Dies sind einige der wenigen Verurteilungen von MedienvertreterInnen, die nach dem Putschversuch im Jahr 2016 festgenommen wurden. Laut der Organisation Reporter ohne Grenzen (RoG) wurden seitdem über 100 JournalistInnen verhaftet, 150 Medienbetriebe geschlossen und mehr als 700 Presseausweise annulliert.
Hermetisch versiegelter Raum
Schon vor der Wahl der AKP im Jahr 2002 wurde die Pressefreiheit teilweise eingeschränkt. Zum Beispiel wurde der Herausgeber Fatih Tas 2002, kurz vor der Wahl der AKP, rechtlich verfolgt, da er Werke des linken Sprachwissenschaftlers Noam Chomsky übersetzte und veröffentlichte. Seit 2011 hat die türkische Regierung jedoch ihr Vorgehen gegen Medienorganisationen deutlich verschärft sowie ein Netzwerk von regierungsnahen Medien geschaffen. 2014 wurde zudem ein Gesetzespaket beschlossen, das türkischen Behörden weitreichende Möglichkeiten gab, Personen ohne Gerichtsbeschluss zu überwachen und Internetseiten zu blockieren. Ausländische JournalistInnen sind durch den Entzug ihrer Presseausweise, welche an die Aufenthaltsgenehmigung gekoppelt sind, betroffen. Der Effekt, den diese systematische Austreibung ausländischer ReporterInnen hat, ist deutlich: Durch die gleichzeitige Zensur und Einschüchterung inländischer Medien ist die Berichterstattung über Ereignisse im Land fast unmöglich. Viele ausländische Seiten wurden zudem blockiert.
Widerstandsfähigkeit
„So ist es sehr schwierig für einen türkischen Bürger oder Bürgerin, richtig informiert zu sein“, sagt ein 2016 nach Deutschland geflüchteter Türke, der nach dem Berufsverlust die politische Inhaftierung befürchtete. Namentlich möchte er nicht genannt werden. Er teilt seinen Angehörigen Informationen über verschlüsselte Kommunikationswege wie WhatsApp mit. Trotz der schlechten Informationsmöglichkeiten glaubt er an die kritischen Kräfte der türkischen Zivilgesellschaft: „Nach meiner Meinung gibt es die halbe Bevölkerung, die skeptisch gegenüber den Nachrichten sind.“ Somit steht die türkische Bevölkerung nicht so geschlossen hinter der Regierung, wie dies häufig durch deren Agenturen und Medien verkündet wird. Sie bräuchten aber vor allem einen besseren Zugang zu Informationen. Ob dies geschieht, hängt unter anderem vom internationalem Druck ab. Nicht zuletzt wurde Deniz Yücel wohl aufgrund der diplomatischen Intervention der Bundesregierung freigelassen. Ob sich diese auf seine inhaftierten KollegInnen überträgt, muss sich zeigen.
:Stefan Moll
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