SelbstversorgerInnen? Tierschutz? 374.084 Menschen in Deutschland waren 2015 jedenfalls im Besitz eines Jagdscheins. Tendenz steigend, auch der Frauenanteil. Redakteurin Andrea hat Jagende bei der Arbeit begleitet.
Irgendwo in einem Buchenwald in Hessen. Wir befinden uns auf einer Drückjagd. Während einige JägerInnen sich in dem Waldstück positioniert haben, machen fünf Helfende mit Stöcken in einer Linie Lärm, um das Wild in die Richtung der Jagenden zu drücken. Dies stellt eine schonendere Methode dar, würden doch bei einer Treibjagd Tiere womöglich dauerhaft vertrieben. Immer wieder werden Rufe laut, mehrere Rehe springen gar nicht so weit weg von mir den Abhang hinab. Plötzlich: Zwei Schüsse. Ein Reh wurde erlegt.
Jagd als Tierschutz
Man muss nicht nach Hessen, um zu jagen. Auch in Bochum gibt es einen eigenen Jagdverband (Kreisjägerschaft Bochum e. V.), welcher Teil des Deutschen Jagdverbandes (DJV) ist, der wiederum beinahe 300.000 Mitglieder zählt.
Tierschutz ist für den DJV an oberster Stelle. So steht auch in der Satzung der Bochumer JägerInnen, dass die Aufgabe des Vereins darin bestehe, „Naturschutz, Umweltschutz und die Landschaftspflege“ sowie Volksbildung, Wissenschaft und Tierschutz zu fördern.
Der DJV sieht den Punkt des Tierschutzes gewährleistet, denn „bei der Jagd gilt auch der allgemeine Grundsatz des Tierschutzrechtes, dass Tieren vermeidbare Qualen zu ersparen sind“. Der Deutsche Tierschutz kritisiert dies jedoch. So fordert der Präsident des Bundes, Thomas Schröder, das Überdenken der gängigen Jagdpraxis, da durch diese die Tiere unnötig leiden würden. Als Beispiel nennt er die Hasenjagd: „So ist der Schuss auf den Hasen in der Sasse (Kuhle) als nicht waidgerecht anzusehen, obwohl er meist leichter anzubringen und für das Tier somit mit weniger Leiden verbunden wäre, als wenn das Tier aufgescheucht wird und sich schnell bewegt.“
Gesundes Wildbret?
Anders als bei der Drückjagd ist die Ansitzjagd umso ruhiger. Alleine werde ich auf einen Hochsitz gesetzt, die Aufgabe: Zähle die Rehe, die du siehst. Es ist ruhig. Und kalt. Und es sind vier. Simon*, der ebenfalls das erste Mal bei solchen Jagden dabei ist, resümiert: „Man lernt die Natur von einer ganz anderen Seite kennen. Alleine auf einem Hochsitz in völliger Stille zu sitzen ist ein besonderes Gefühl.“
Ein ganz anderes Verhältnis erhalte man auch zum selbsterlegten Fleisch, welches Wildbret genannt wird. Durch ihre Ausbildung sind Jagende geschult und auch dazu verpflichtet, das erlegte Fleisch auf Unregelmäßigkeiten zu untersuchen: Falls keine vorhanden sind, kann das Fleisch in kleinen Mengen an weitere Endverbrauchende oder Kleinbetriebe weiterverkauft werden. Eine Aktion des DJV hat indes ergeben, dass mindestens 50.000 Vereinsmitglieder auch zur Selbstversorgung jagen. Alex, der ebenfalls bei einer Jagd war und nun selbst den Jagdschein machen möchte, merkt an: „Ich denke, Ernährung mit Fleisch wird bewusster, sobald man weiß, was dahintersteckt, vor allem, wenn man es selber geschossen hat.“
:Andrea Lorenz
*Name von der Redaktion geändert
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