Bild: 40 Prozent der Studentinnen, die negative Erfahrungen machen, meiden bestimmte Lehrveranstaltungen; Stalking und sexuelle Gewalt führen in knapp einem Drittel der Fälle zu schlechteren Studienleistungen bis hin zur Verlängerung des Studiums., Wenn man/frau sich nicht mehr sicher fühlt Grafik: mar; Quelle: Thomas Feltes u. a.: „Gender-based Violence, Stalking and Fear of Crime. Länderbericht Deutschland. EU-Projekt 2009-2011“

Julia* ist 22 Jahre alt. Seit sie an der RUB studiert, hat sie Probleme mit einem Kommilitonen. Der junge Mann, nennen wir ihn Pervi, sei laut Aussagen anderer Studis sozial inkompetent. Julia zog fürs Studium aus Ost-Deutschland nach Bochum und fand schnell Anschluss bei ihren KommilitonInnen. Auch zu Pervi war sie nett, denn sie ist ein freundlicher Mensch.

Selbstschutz: Ohne Pfefferspray geht Julia nicht aus dem Haus. Foto: kac

Immer wieder suchte Pervi den Kontakt zur Studentin, schrieb ihr auf Facebook, wartete nach Seminaren auf sie. „Einmal fuhr er mit mir sogar Bus, obwohl er gar nicht in meiner Nähe wohnt und quatschte mich voll mit Details aus meinem Leben, die er gar nicht wissen konnte. Das war sehr unheimlich“, erzählt sie.

Während ihres Auslandsaufenthalts schlief der Kontakt ein, doch kaum war Julia wieder an der RUB, drängte Pervi sie in eine Ecke und wollte sie gegen ihren Willen anfassen. Sie entkam, bekam jedoch von Pervi einen anmaßenden Brief. Per Facebook sagte Julia klar, dass er sie in Ruhe lassen solle und sperrte ihn.

Daraufhin begann er, sie vor ihren Freunden schlecht zu machen. Als das nicht fruchtete, hängte Pervi im ganzen Institut Zettel mit Julias vollem Namen und Beleidigungen auf: Sie habe psychische Probleme und sei ein schlechter Mensch, hieß es darauf. Julia hatte große Angst, sie fragte sich: „Wozu ist dieser Mensch sonst noch fähig?“

Sie zeigte ihn bei der Polizei an, meldete seine Taten im Gleichstellungsbüro und bei der Geschäftsführung ihres Fachbereichs. Für Julia sei es wichtig gewesen, das alles zu melden, „damit so ein Mensch bei allen Instanzen bekannt ist.“

Pervi darf weiter studieren als sei nichts gewesen und Julia begegnet ihm immer wieder in Seminaren oder in der Mensa.

*Name von der Redaktion geändert

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Sexualisierte Gewalt ist spätestens seit Silvester in den Köpfen der Menschen präsent. Viele – nicht nur Betroffene – wappnen sich, indem sie Pfefferspray oder ähnliche Verteidigung einpacken. Doch wie begründet ist diese Angst und vor allem: Wie ist die Situation auf unserem Campus?                

Laut Katja Teichmann, Referentin beim Autonomen FrauenLesbenReferat der RUB, sei sexualisierte Gewalt auf dem Campus präsenter als allgemein wahrgenommen. So wurde erst kürzlich, im Sommersemester 2015, auf Damentoiletten via Handykamera über die Trennwände hinweg gefilmt. Allerdings, so Bärbel Solf von der Bochumer Polizei, sei „die sexualisierte Gewalt im Bereich der RUB nicht auffällig erhöht“ und laut Kriminalstatistik der letzten zehn Jahre sei „die Zahl der Sexualdelikte im Bereich Bochum ständig gesunken“.

Beate von Miquel vom Gleichstellungsbüro der RUB hebt zwar hervor, dass es an der RUB bauliche Bereiche gibt, in denen sich Studierende „bei Dunkelheit oder auch in den sogenannten Randzeiten“ unsicher fühlen, beruft sich aber auf eine Studie des RUB-Kriminologen Thomas Feltes, dem zufolge Übergriffe auf Studierende meist im privaten Bereich stattfänden.

Stadt und Uni beugen vor

Viele Maßnahmen wurden bereits ergriffen, um solchen Vorfällen vorzubeugen. „Das Autonome FrauenLesbenReferat der RUB setzte sich in der Vergangenheit erfolgreich für einen beleuchteten Weg zu den Wohnheimen ein“, so Teichmann. Darüber hinaus verweist von Miquel auf eine enge Kooperation zwischen den Gleichstellungsstellen der Stadt Bochum und der RUB; außerdem gebe es regelmäßige Begehungen des Campus, deren Ziel die Kontrolle der Beleuchtung und der Grünanlagen sei.

Des Weiteren wurden laut Solf kriminalpräventive Städtebaumaßnahmen auf der Basis wissenschaftlicher Untersuchungen eingeleitet, die unter anderem mit den zuständigen Stellen der RUB, der Polizei, dem Grünflächenamt und des ÖPNV abgesprochen und realisiert werden.

Was tun als BetroffeneR?

Seid Ihr verängstigt, solltet Ihr unterwegs mit jemandem telefonieren, dem Ihr Euren Standort durchgebt. Unsichere Gegenden sollten bestenfalls nur in Begleitung passiert werden; hierfür bietet die RUB einen 24-Stunden-Begleitdienst an.

Die angesprochenen Stellen sind sich einig, dass es ebenso von höchster Wichtigkeit ist, für Öffentlichkeit zu sorgen, indem Personen direkt angesprochen werden oder Schutz bei Angestellten des ÖPNV gesucht wird. Im Ernstfall sollten Alltagsgegenstände zur Verteidigung verwendet werden – „auf keinen Fall Waffen oder Pfefferspray“, so Bärbel Solf. Auch als hilfreich erweisen kann sich der Versuch,  potenzielle TäterInnen „aus dem Konzept zu bringen, zu verunsichern oder zu verwirren“.

 

Infobox: Anlaufstellen für Studierende

Ab dem 2. März können Frauen und Männer am Selbstverteidigungskurs von Wing-Tsun-Trainer Aaron Küster teilnehmen. Organisiert wurde dieser Kurs vom AStA, Ideengeberin war eine RUB-Studentin, die sich für mehr Sicherheit am Campus einsetzt. Mehr Informationen und die Anmeldung zum Kurs gibt es bald auf www.asta-bochum.de

RUB Begleitdienst: tinyurl.com/RubBegleitdienst

Weitere Ansprechpartner für Betroffene:

gleichstellungsbuero@rub.de

autonomes-frauenlesbenreferat-bochum.de

 

„Für mich fängt alles schon auf der verbalen Ebene an“

Mutig: Michael schlägt in eine Nische und teilt als Mann seine unangenehme Erfahrung mit sexueller Belästigung. Foto: kacSexualisierte Gewalt betrifft nicht nur Frauen: Versicherungskaufmann Michael schlägt in eine Nische und teilt als Mann seine unangenehme Erfahrung mit sexueller Belästigung.

„Ich bin in meinem Arbeitsalltag am eigenen Leibe mit ‚sexueller Gewalt‘ konfrontiert worden. Es handelte sich um eine recht nett wirkende Arbeitskollegin, zu der ich kein besonderes Verhältnis pflegte. Ich denke, dass auch meine anderen KollegInnen mich nicht als forschen oder aufdringlichen Typen beschreiben würden, und war deshalb bemüht, es mit meiner Kollegin bei einer dienstlichen Beziehung zu belassen. Mit der Zeit nahmen verbale Anspielungen ihrerseits zu, die ich im Dabeisein der ArbeitskollegInnen meist nur mit einem zurückhaltenden Grinsen bedachte.

Mehr als Avancen

Eines Tages dann, nachdem ich vom Fußballtraining heimkam, fand ich meine Arbeitskollegin plötzlich im Wagen vor der Haustür vor. Recht entgeistert fragte ich sie, was sie denn hier tue und woher sie meine Adresse kenne. Schließlich hatte ich diese nicht von mir aus preisgegeben. Sie entgegnete, sie sei rein zufällig vorbeigekommen, um einen Brief für mich in den Briefkasten zu schmeißen; die Adresse hätte sie von einer auf meinem Arbeitstisch herumliegenden Gehaltsabrechnung. Meine Versuche, der Kollegin klarzumachen, ich hätte kein Interesse an ihr, verpufften.

Glück gehabt?

Auf einer darauf folgenden Betriebsfeier hat sie dann im angesäuseltem Zustand versucht, den körperlichen Kontakt zu intensivieren, was ich aber entschieden ablehnte. Zum Glück für mich hat sich der Kontakt kurze Zeit später verflüchtigt, als die Kollegin in einen – auch räumlich entfernten – Arbeitsbereich wechselte. Mittlerweile hat sie jedoch meine neue Handynummer per Internet herausgefunden.“

:Katharina Cygan &

:Tobias Möller 

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