Bild: Was man dem Klimawandel entgegensetzen kann: Der Nachhaltigkeitsforscher Stephan Wallaschkowski im Gespräch mit der :bsz. , :bsz-Klimareihe: Strategien gegen den Klimawandel: Interview mit Nachhaltigkeitsexperte Stephan Wallaschkowski Foto: bent

Als bahnbrechend wurde das Ergebnis der Pariser Konferenz bezeichnet: Die Staaten wollen die Emissionen drastisch senken, die Erderwärmung soll unter zwei Grad bleiben – einige Insel-Staaten wollen sich sogar um ein 1,5-Grad-Ziel bemühen. Darüber und über die notwendigen Maßnahmen sprachen wir zum Abschluss unserer Klima-Reihe mit dem Nachhaltigkeitsforscher Stephan Wallaschkowski von der Hochschule Bochum.

:bsz Das Pariser Abkommen wurde als historisch gefeiert. Kann der Klimawandel damit verhindert werden?

Stephan Wallaschkowski: Es wird immer so dargestellt, als müsste man den Klimawandel verhindern oder stoppen, aber darum geht es gar nicht. Wir haben schon jetzt den Klimawandel und da ist schon so viel CO2 in der Atmosphäre, sodass es auch auf jeden Fall weitergehen wird. Die Frage ist nicht mehr: Können wir das Ganze noch stoppen oder nicht, sondern: Kriegen wir das Ganze auf ein tolerierbares Maß beschränkt, ja oder nein?

Was hat es mit dem Zwei-Grad-Ziel auf sich?

Es ist das Ziel, wo die Klimaforscher sagen, dass es da gerade eben noch technisch und gesellschaftlich beherrschbar ist, indem wir Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel ergreifen. Zum Beispiel in Holland kann man Deiche bauen. Alles, was über dem Zwei-Grad-Ziel liegt, gilt als nicht vorhersehbar und nicht beherrschbar.

Das ist ein bisschen so wie mit der Titanic: Wir fahren Vollgas durch die Eisschollen und vielleicht geht alles gut, aber genau wissen wir es nicht und es ist uns eigentlich auch egal, also es ist ein bisschen so wie blind Auto fahren, wenn man über das Zwei-Grad-Ziel kommt. Man weiß nicht, was dann passiert und wie schlimm es dann wirklich wird und ob es dann überhaupt noch handhabbar für uns ist.

Dieses Mindestziel haben die Staaten immerhin in Paris vereinbart…

…aber wichtig wäre, dass vereinbart wird, dass die Staaten sich wirklich verpflichten, ihren Ausstoß um hoffentlich ehrgeizige Prozentzahlen zu reduzieren. Das wäre die Grundanforderung, die man eigentlich als Mindestziel definieren sollte. Und was man auch braucht, sind sicherlich Regeln für die Einhaltung dieses Abkommens, das heißt, es muss auch in dem Sinne verbindlich sein, dass es Mechanismen gibt, die dafür sorgen, dass die Staaten auch diese Regeln einhalten.

Was muss getan werden, um mehr zu erreichen?

Im Grunde müssen wir unser gesamtes Wirtschaftssystem neu überdenken. Wir müssen uns um eine komplette Umgestaltung der Wertschöpfungsketten Gedanken machen. Das heißt, wir müssen es hinkriegen, diese so umzugestalten, dass wir kein zusätzliches CO2 ausstoßen. Das kann durch viele Maßnahmen geschehen, zum Beispiel durch die Energiewende, weil das Erzeugen von Energie aus fossilen Stoffen sehr CO2-intensiv ist. Wir müssen uns alle Prozesse angucken, in dem CO2 oder andere Klimagase ausgestoßen werden. Das betrifft den Verkehrssektor, aber auch klassische Produktionsketten. Wir müssen gucken: Können wir das durch Prozesse ohne oder weniger CO2-Ausstoß ersetzen?

Wie kann die Politik das unterstützen, etwa durch Investition in Forschung und Entwicklung? Können umweltfreundliche Unternehmen subventioniert werden? Es geht sicherlich auch um den Konsumenten, der sein Konsumverhalten überdenken muss, denn hinter allem, was wir konsumieren, hängt natürlich ein Produktionsprozess. Wir brauchen also sehr viele Maßnahmen auf sehr vielen Ebenen. Denn der Klimawandel ist ein Problem, das keiner bewusst geplant oder gesteuert hat. Das ist eine unbeabsichtigte Nebenfolge von sehr vielen komplexen Entscheidungen, die eigentlich gar nicht viel mit dem Klima zu tun haben. Es ist kein einfaches Problem, also gibt es auch keine einfachen Lösungen, also müssen wir auf ganz vielen Ebenen arbeiten. Die Politik hat einer dieser Ebenen, die Konsumenten sind genauso gefordert und die Unternehmen müssen ebenfalls ihren Beitrag leisten .

Welche Methoden der Nachhaltigkeit gibt es für einen solchen Wandel?

In der Nachhaltigkeitswissenschaft redet man grundsätzlich von drei Strategien. Die Effizienzstrategie bedeutet einfach, wir müssen dafür sorgen, dass wir das, was wir tun und produzieren wie zum Beispiel ein Auto, deutlich ressourcen- oder energieleichter als vorher machen. Das heißt, wenn wir vorher für ein Auto etwa 500 Kilogramm Stahl für die Karosserie verbraucht haben, dann müssen wir es irgendwie hinkriegen, eine vergleichbare Karosserie mit 250 Kilogramm zu bauen.

Es wird dann versucht, Materialien einzusparen oder Werkstoffe zu erfinden, die bei weniger Materialaufwand ebenso sicher sind – man versucht, effizienter zu sein. Das ist die älteste Nachhaltigkeitsstrategie, die schon länger verfolgt wird und die auch sehr gut ist.

Aber …?

Sie hat nur das Problem, dass der Mensch die Tendenz dazu hat, immer etwas mehr zu wollen. Wenn etwas effizienter wird, wird es meistens auch günstiger.

Je weniger Material beispielsweise in einem Auto drin ist, desto weniger Material muss auch das Unternehmen einkaufen. Dadurch wird das Auto möglicherweise günstiger, wodurch sich mehr Menschen Autos leisten können. Weil die Leute mehr Geld für Benzin übrig haben und mehr fahren können, heißt das, dass durch diese Effizienzmaßnahme auf einmal auf der anderen Seite mehr Konsum entsteht, der diesen ökologischen Effekt wieder auffressen, überkompensieren kann oder zumindest Teile des Effektes wieder zunichtemacht. Man versucht, den Ressourcenverbrauch vom ökonomischen Wachstum über die Effizienzstrategie zu entkoppeln, aber so richtig funktioniert das nicht.

Wir schaffen zwar eine relative Entkopplung – momentan wächst unser Konsum schneller als der Ressourcenverbrauch –, aber wir schaffen nicht die notwendige absolute Entkopplung, was heißen würde: Der Konsum steigt weiter und der Ressourcenverbrauch geht trotzdem runter. Deswegen reicht Effizienz alleine nicht aus und deswegen haben sich Leute über weitere Strategien Gedanken gemacht.

Welche wären das?

Welche Strategie auch hoch gehandelt wird, ist die Konsistenz. Das ist die Idee, unsere Stoffkreisläufe an die Natur anzupassen. Denn die Natur wird durch Stoffe, durch Emissionen, die sich nicht verarbeiten kann, natürlich deutlicher stärker beeinträchtigt als durch Emissionen, die grundsätzlich von der Natur verwertet werden können, weil sie biologisch abbaubar sind oder sogar für gewisse Lebewesen als Nährstoffe dienen. Aber auch das heißt nicht, dass wir, sobald wir alles konsistent gemacht haben, konsumieren können, so viel wir wollen. Denn die Natur hat natürlich trotzdem Eigenzeiten: CO2, was ja für den Klimawandel hauptverantwortlich ist, ist ein perfekter konsistenter Stoff, denn er ist ja genau die Nahrung, die Bäume brauchen: Lebewesen stoßen CO2 aus, die Bäume brauchen das als Nahrung und machen daraus Sauerstoff und wir haben wiederum den Sauerstoff für uns – es ist also ein perfekter Kreislauf. Es gibt aber natürlich nur so und so viele Bäume auf der Erde, die werden momentan auch weniger und die brauchen natürlich auch eine gewisse Zeit, bis sie CO2 umgewandelt haben. Momentan stoßen wir so viel CO2 aus, dass die Bäume einfach nicht mehr damit hinterher kommen.

Was kann man dann tun?

Wenn man akzeptiert, dass Effizienz alleine nicht reicht, weil das zu mehr Konsum anregt, dass Konsistenz das Problem zwar abmildert, aber eine Obergrenze bedeutet, die man nicht überschreiten sollte, dann bleibt uns als Strategie nur noch die Suffizienz, die einfach sagt: Wir müssen unseren Lebensstil und unser Wirtschaftssystem überdenken und auch, ob es Sinn macht, immer mehr zu konsumieren – also, was tun wir da, welche Bedürfnisse stehen überhaupt dahinter und kann man diese intelligenter befriedigen? Braucht man das alles, was man da konsumiert, um ein gutes Leben zu leben, kann man nicht auch mit weniger Konsum ein ähnlich gutes Leben leben? Die Suffizienzstrategie fordert am Ende, sich diese Fragen dann mal zu stellen.

Was wären die Folgen, wenn es nicht bald zu einer Wende in der Klimapolitik kommt?

Wenn der Klimawandel so weiter geht oder die Maßnahmen nicht ausreichen, um an das Zwei-Grad-Ziel heranzukommen, dann werden extreme Wetterereignisse wie Stürme deutlich wahrscheinlicher und häufiger werden. Es wird in Regionen der Erde zu Wassermangel kommen, in anderen gibt es dann viel zu viel Wasser, weil die Meeresspiegel ansteigen – Küstenregionen sind dann gefährdet, zukünftig unter Wasser zu stehen. Holland ist immer das Beispiel für Europa, da es zu weiten Teilen unter dem Meeresspiegel liegt. Wenn sie sich nicht entsprechend schützen, etwa durch Deiche, dann wird das Land überflutet. Das gilt auch besonders für viele Länder im pazifischen Raum. Dort ist zu viel Wasser, woanders ist zu wenig Wasser, die Böden werden dort unfruchtbar und die Leute können dort nichts mehr anbauen und müssen Ihr Land verlassen.

Welche sozialen Konsequenzen birgt das?

Darin besteht auch die Gefahr von Umweltflüchtlingen, dass sich viele Menschen in bestimmten Regionen auf den Weg in andere Länder machen, in der Hoffnung, dass dort bessere Lebensgrundlagen vorhanden sind. Das Schwierige daran ist, dass es kein Prozess ist, der in den nächsten fünf Jahren geschehen wird und das macht es auch so schwierig, jetzt zu handeln, weil die Folgen zwar irgendwie bekannt und vorhersehbar, aber weit weg sind. Wir reden nicht davon, dass Holland in fünf Jahren untergehen könnte, sonst würden die Holländer schon längst Maßnahmen ergreifen und was tun, dann würde auch die Politik was tun. Es geht darum, dass wir im Grunde jetzt Maßnahmen ergreifen müssen, um Prozesse zu verhindern oder zumindest zu entdramatisieren, die sich vielleicht erst in 50 oder 100 Jahren auszuwirken. Vielleicht folgt die Wirkung auch erst in 200 bis 300 Jahren – kann sein. Aber das macht es so abstrakt, weil der Handlungsdruck nicht so akut ist. Aber je länger wir brauchen, um Maßnahmen einzuleiten, umso schwieriger wird dieses Ziel. Das heißt, wenn wir jetzt die Trendwende schaffen, dann ist es noch einfacher, das hinzukriegen. Denn je länger wir warten, umso schwieriger wird es, denn umso radikaler müssen die Maßnahmen sein, die wir ergreifen.

Das Interview führte :Benjamin Trilling

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