„Die Zigarette ist das einzige Industrieprodukt, das bei bestimmungsgemäßem Gebrauch zum Tode führt“, stellte einmal der Enkel eines führenden Tabakunternehmers treffend fest. Tatsächlich folgt auch mehr als ein Viertel der deutschen Bevölkerung regelmäßig dieser Gebrauchsanweisung – trotz besseren Wissens. Was ist so verlockend am Glimmstängel?
Galt es vor einem halben Jahrhundert noch als schick und trendy, mit einer Zigarette in der Hand zu gestikulieren, sinkt seit mittlerweile zehn Jahren die Zahl der Raucher langsam, aber stetig. Dabei hat das Qualmen schon lange Tradition: Mitte des 16. Jahrhunderts aus Mittelamerika importiert, breitete sich das Rauchen und Schnupfen von Tabak in ganz Europa aus.
„Bereits mit acht Jahren habe ich meinem Vater Zigaretten gestohlen und die heimlich mit Freundinnen im Park geraucht – wir kamen uns so cool und erwachsen vor. Mit 13 habe ich dann eine Schachtel täglich geraucht. Heute will ich von Kippen weg kommen, doch trinke ich Alkohol auf der Party, zieht es mich zu den Rauchern und ich fange an, mich durchzuschnorren.“
Medina, 21, Auszubildene, Party-Raucherin
Neben Alkohol und Koffein ist die Zigarette das beliebteste psychisch wirksame Genussmittel. Chronische KonsumentInnen rauchen bis zu 50 Fluppen pro Tag, um ihr Nervensystem damit zu stimulieren.
Das legale Heroin?
Der psychoaktive Wirkstoff Nikotin entsteht in den Wurzeln der Tabakpflanze und wandert erst während der Reifung in die Blätter, die durch Trocknung und Fermentierung zum Tabak werden. Durch die Mundschleimhaut aufgenommen, wandert Nikotin bereits innerhalb von sieben bis acht Sekunden ins Gehirn, wo es im Belohnungssystem Hormone freisetzt. Diese steigern nicht nur das Wohlgefühl, die Konzentrationsfähigkeit sowie die allgemeine Aktivität; sie sind auch verantwortlich dafür, dass RaucherInnen so schwer wieder von ihrem Suchtmittel loskommen.
„Klar ist Rauchen scheiße, aber ich mag es und das ist das Problem, wieso ich nicht aufhören kann. Nikotinpflaster, Kaugummis und was ich nicht sonst noch alles ausprobiert habe, nichts hat gewirkt, weil ich nicht auf den Genuss verzichten möchte, besonders bei der ersten nach dem Aufstehen. Das geile leichte Schwindelgefühl, das mir das Nikotin verpasst, weckt mich morgens erst richtig auf.“
Tom, 27, RUB-Student, Kettenraucher
Tatsächlich zeigte eine Tierstudie, dass Nikotin ähnlich abhängig macht wie Heroin. Ratten bekamen auf einen Tastendruck hin Nikotin oder Heroin und die ForscherInnen maßen, wie oft die Tiere den Hebel betätigten. Zwar wollten die Nager etwas häufiger Heroin als Nikotin, sodass das Suchtpotenzial der härteren Droge per se höher ausfällt. Doch laut WissenschaftlerInnen liege die Gefahr von Tabak in der ständigen Verfügbarkeit – das mache den Ausstieg aus der Droge viel schwerer.
Aufhören – mit Hypnose?
Dabei wissen wir alle, wie gefährlich der Qualm für unseren Körper ist: Bis zu 90 Prozent aller Fälle von Lungenkrebs werden vom Tabakkonsum verursacht. Geheimtipps fürs Aufhören gibt es allerdings keine, vermutlich muss jedeR den individuell passendsten Weg finden. Wer noch auf der Suche ist, dem sei (professionelle!) Hypnose empfohlen – Wirksamkeitsstudien berichten bereits nach wenigen Sitzungen von dauerhaften Erfolgen. Vorausgesetzt, man möchte sich auf die etwas ungewöhnliche Entwöhnungsmethode einlassen.
:Melinda Baranyai & :Katharina Cygan
Steckbrief: Nicotin
Erste Räusche: unbekannt; in Europa ab dem 16. Jahrhundert
Wirkstoff: Nicotin
Wirkung: euphorisierend, aktivierend
Zu sehen in: „Mad Men“ (u.a.)
In unserer Drogenreihe stellen wir Euch die Wirkungsweise verschiedener Substanzen vor – Erfahrungsberichte treffen auf Wissenschaft.
Lest hier auch den anderen bisher erschienenen Artikel der Reihe:
„Schmetterling trifft Handgranate“
„Die Droge der Reichen und Schönen“
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