Beim Arbeitskreis Umweltschutz Bochum (AKU) freut man sich immer über junge Leute, die sich engagieren wollen. Denn angesichts des Klimawandels ist Handeln dringend geboten. Wir sprachen mit dem AKU-Vorsitzenden Ingo Franke über die anstehende Klimakonferenz in Paris, notwendige Maßnahmen und die katastrophalen Folgen, wenn sich nichts ändert.
:bsz Zurzeit findet bis Mitte Dezember die Klimakonferenz in Paris statt. Welche Ziele verfolgen die StaatsvertreterInnen dort?
Ingo Franke: Es geht darum, endlich ein Nachfolge-Protokoll für Kyoto zu verabschieden, in dem die Welt sich auf Klimaschutz-Ziele, also Emissionsreduktionen von Treibhausgasen, verständigt. Was in Kyoto vereinbart wurde, war ein sehr geringer Erfolg. Die Ziele entsprechen bei weitem nicht dem, was, wissenschaftlich begründet notwendig ist. Zwar gibt es mittlerweile die Verabredung, die Zwei-Grad-Grenze einzuhalten, nur ist das nicht mit dem gekoppelt, was dafür an Reduktionen notwendig wäre.
Was können wir also erwarten?
Im Vorfeld der Pariser Klimakonferenz hat es Meldungen einzelner Staaten gegeben, zu welchen Reduktionen sie freiwillig bereit wären. Wenn sie diese Ziele tatsächlich einhielten, würde die Temperatur der Erde um ungefähr drei bis dreieinhalb Grad ansteigen. Wir wissen heute, dass die Zwei-Grad-Grenze schon zu hoch ist.
Was ist zu befürchten, wenn wir diese Grenze übersteigen?
Die Folgen einer Temperatur-Erhöhung der Erdatmosphäre um zwei Grad sind für die Menschheit nicht beherrschbar. Sie führen zu extremen Problemen wie verstärktem Hunger, Naturkatastrophen oder dem Absterben von ganzen Ökosystemen.
Aber wann ist der Zeitpunkt erreicht, an dem es quasi kein Zurück mehr gibt?
Ein Zurück gibt es jetzt bereits nicht mehr! Wenn wir ab heute sämtliche Treibhausgas-Emissionen einstellen würden, stiege die Temperatur der Erde trotzdem noch um 0,4 Prozent. Und man sollte eigentlich nicht versuchen, über 1, 5 Grad zu kommen. Wir müssen die Treibhausgasemission weltweit also drastisch reduzieren. In Deutschland besonders stark – hier wird pro Kopf immer noch 40 Prozent mehr ausgestoßen als im Weltdurchschnitt. Das heißt, weg von den fossilen Energieträgern und hin zu regenerativer Energie. Wir müssen dafür sorgen, dass es endlich vernünftige Energiespeicher gibt und natürlich brauchen wir völlig neue Lebensstile und ein neues Wirtschaftssystem, das nicht ständig auf neues Wachstum und Konsum aus ist.
Das kann man aber von den Staaten auf der Klimakonferenz nicht erwarten. Wer sind dann die Akteure für einen Wandel?
Das muss die Bevölkerung dieser Erde sein – insbesondere in den Industriestaaten. Die Bevölkerung muss ganz einfach die Politik vor sich hertreiben, damit diese endlich vernünftige Entscheidungen trifft. Wir sind nun mal in einer Demokratie und die Macht geht vom Volke aus – sollte sie zumindest (lacht). Leider ist zu befürchten, dass sie von der Industrie und der Wirtschaft ausgeht.
Gleichzeitig müssen wir unser Konsumverhalten verändern …
Was nicht unbedingt mit Verzicht verbunden ist, sondern mit einer Änderung: man hat, wenn man weniger arbeitet, weniger Geld für den Konsum, gewinnt aber Zeit, um zu leben. Um das machen zu können, was einem Spaß macht oder um Austausch mit anderen Leuten zu haben statt einfach irgendwo als Single einsam in einer Wohnung zu sitzen und zu konsumieren.
Aber reicht es, sein Konsumverhalten zu ändern? Was muss wirtschaftlich getan werden?
Die Wirtschaft darf nicht nach dem Prinzip funktionieren: „Wachstum, sonst bricht das System zusammen“. Wir können dieses Wirtschaftswachstum nicht mehr aufrecht erhalten, weil wir mittlerweile wesentlich mehr Ressourcen verbrauchen, als die Welt hergibt. Wir leben also schon seit langem auf Kosten nachfolgender Generationen und drei Viertel der Weltbevölkerung. Letztlich müssen sich alle drei bewegen: Bevölkerung, Politik und Wirtschaft und jeder hat die Aufgabe, das zu tun, was notwendig ist, um das Leben der Menschen in dieser Welt auch in Zukunft zu ermöglichen. Sonst wird etwas passieren, was in der Biologie immer geschieht: nämlich Populationsdynamik. Die Population steigt rasant auf ein Maximum an und sinkt dann in dramatischer kurzer Zeit – genau das steht der Menschheit bevor.
Das heißt konkret?
Es gibt mittlerweile Bevölkerungswissenschaftler, die sagen, im Jahre 2100 werden auf dieser Erde nicht zehn oder 15 Milliarden Menschen leben sondern vielleicht gerade mal zwei Milliarden.
Die Lage ist also dramatisch …
Selbst wenn wir heute aufhören würden und kein einziges Milligramm Treibhausgas mehr ausstießen, würde die Temperatur weiterhin um 0,4 Grad steigen. Also kann man daraus schließen, dass die Lage hochdramatisch ist. Wir hatten im Frühjahr diesen Jahres auf Tobalu im Pazifik einen Sturm mit Spitzengeschwindigkeiten von 340 Km/h pro Stunde. Wenn das in Bochum geschehen wäre, würde kein Dachziegel mehr auf irgend einem Haus stehen. Und wir müssen damit rechnen, dass die Stürme auch hier stark zunehmen – sowohl in der Anzahl als auch in der Geschwindigkeit.
Das Interview führte :Benjamin Trilling
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