„Die Fans des VfL Bochum haben ihren Verein früher als unabsteigbar bezeichnet. Ich denke, das kann man auf das Ruhrgebiet ganz gut übertragen.“ Eine obligatorische Fußballanspielung durfte bei der Rede von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel an der RUB nicht fehlen. Nach einem Vortrag zum Strukturwandel im Ruhrgebiet musste sich der Vizekanzler allerdings auch Publikumsfragen zur Flüchtlingspolitik und dem umstrittenen Freihandelsabkommen mit den USA stellen.
Bevor die ZuschauerInnen das Wort hatten, hielt Gabriel anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Ruhr-Uni eine etwa einstündige Lobrede auf den Wissenschaftsstandort Ruhrgebiet – garniert mit vielen Zahlen. So hob der Wirtschaftsminister hervor, dass im vergangenen Wintersemester knapp 250.000 Studierende an Unis im Ruhrgebiet eingeschrieben waren. Hinzu kämen etwa 2.200 ProfessorInnen, die im größten deutschen Ballungsraum arbeiten und forschen. „Da stellt sich doch die Frage, warum die Menschen außerhalb das Ruhrgebiet immer noch mit Kohle und Stahl in Verbindung bringen“, sinnierte der Vizekanzler.
Der Ruhrpott als Entwicklungshelfer?
Allerdings, so Gabriel, würde ein Großteil der jungen Fachkräfte das Ruhrgebiet nach dem Studium mit Vorliebe Richtung Süden verlassen. „So gesehen leistet das Ruhrgebiet eine Art Entwicklungshilfe für Bundesländer wie Bayern“, erklärt der Minister. Es gelte nun, das kreative Potenzial, das im Ruhrpott schlummert, an die Region zu binden. Hier verwies Gabriel auf die GründerInnenszene, die sich zeitgleich in der Jahrhunderthalle zu einem Gipfel versammelte: „Diese Start-Ups muss man fördern und mit etablierten Unternehmen vernetzen.“
Freihandelsabkommen als Chance?
Die Rede des Ministers sorgte für Beifall im Publikum – allerdings zeigte sich, dass die ZuschauerInnen zahlreiche Fragen an Gabriel hatten, die weit über das Thema seiner Rede hinausgingen.
„Warum sind Sie für TTIP?“, wollte etwa ein Zuschauer wissen, der von Gabriel einen klaren Standpunkt zum umstrittenen geplanten Freihandelsabkommen mit den USA forderte. Gabriel verwies darauf, dass der europäische Markt verglichen mit aufstrebenden Märkten in Asien oder Lateinamerika immer kleiner werde und Europa daher einen Handelspartner brauche, um auch in Zukunft globale Wirtschaftsstandards setzen zu können. „Alle haben Angst davor, dass durch TTIP die Verbraucherstandards gesenkt werden. Ich kann versichern, dass kein Freihandelsabkommen der Welt irgendein Gesetz ändern wird“, versprach der Minister.
Die Reise nach Europa erleichtern
Auch für die aktuelle Geflüchtetenpolitik fand er klare Worte: „Dadurch, dass Flüchtlinge ihre Familien nachgeholt haben, sind im letzten Jahr 18.000 Menschen zu uns gekommen. Wenn jetzt durch die Abschaffung des Familiennachzugs 18.000 Menschen weniger kommen, ändert sich auch nichts. Das sind alles nur Ersatzhandlungen, die vom eigentlichen Problem ablenken sollen!“ Und dieses Problem, so Gabriel, entstehe dann, wenn Geflüchtete so verzweifelt sind, dass sie SchlepperInnenbanden ihr Leben anvertrauen. „Der Weg nach Europa darf für Flüchtlinge nicht zu einer lebensgefährlichen Reise werden!“, appellierte er.
:Birthe Kolb
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