Zehn Liter reinen Alkohol konsumieren wir in Deutschland durchschnittlich pro Jahr, knapp ein Achtel der Bevölkerung tut dies sogar in gesundheitsgefährdenden Mengen. Trotz Kater und besseren Wissens berauscht sich ein Großteil der Menschheit regelmäßig mit ethanolhaltigen Substanzen – mittlerweile seit über 4.000 Jahren.
Aus dem Arabischen übersetzt bedeutet es „das Allerfeinste“ – kein Wunder, dass sich Alkohol als Rauschmittel seit den alten ÄgypterInnen größter Beliebtheit erfreut. Bereits diese kannten den charakteristischen Stoff, der auf natürlichem Wege entsteht, wenn zuckerhaltige Früchte vergären, und fanden so sehr Gefallen daran, dass sie bereits erste alkoholische Getränke brauten.
Bis zur erstmaligen Gewinnung von reinem Ethanol Ende des 18. Jahrhunderts behalf man sich mit Wildhefe, um Bier und Wein herzustellen. Zwar enthielten die damaligen Getränke weniger Alkohol als heutzutage, sie stellen aber gerade im Mittelalter eine wichtige Ergänzung zum häufig verunreinigten Wasser dar.
Erst das Hoch, dann der Absturz
Bier, Wein und Met gehörten früher schon zu einem guten Fest, und noch heute konsumieren die meisten von uns vorwiegend beim Feiern ethanolhaltige Substanzen. Der stimmungsaufhellende, belebende Effekt macht schließlich aus manch drögem Abend eine munter durchfeierte Nacht – sofern die Rauschwirkung nicht kippt. Bei steigender Dosis versagen eher unsere motorischen und sprachlichen Fähigkeiten, wir können uns kaum mehr auf den Beinen halten, geschweige denn klar denken.
„Zum Frühstück mache ich mir jeden Tag ein Bier auf, manchmal werde ich sogar nachts wach, weil mein Körper bereits Entzugserscheinungen zeigt. Habe ich nicht genug intus, werde ich unsicher, nervös und sogar aggressiv. Seit etwas über neun Jahren ist wohl der eine Tag her, an dem ich mal keinen Alkohol zu mir nahm.“
Michael, 29, Küchenhilfe, seit circa neun Jahren Alkoholiker
Diese ambivalente Eigenschaft von Ethanol ist seinem breiten Wirkspektrum im Gehirn geschuldet. Der Stoff beeinflusst sowohl anregende als auch sedierende Mechanismen – so wirkt er nicht nur auf das euphorisierende Belohnungssystem, sondern auch auf den wichtigsten hemmenden Botenstoff des Körpers sowie natürlich das Gedächtnis.
Doch kein Nervengift?
Gerade das Gedächtnis und die Denkfähigkeit leiden stark unter dauerhaft exzessivem Alkoholkonsum. Eine extreme Folgeerkrankung ist neben der Leberzirrhose das so genannte Korsakow-Syndrom, bei dem das Erinnerungsvermögen unumkehrbar stark beeinträchtigt ist.
„Das erste Mal habe ich bemerkt, dass ich vielleicht abhängig bin, als mir auffiel, dass ich sogar Schnaps in meinen Kaffee schütte. Mit dem übermäßigen Saufen fing es an, als ich immer häufiger Speed nahm. Der Alkohol verhalf mir, wieder runter zu kommen. Vom Speed bin ich mittlerweile runter, aber den Schnaps will ich mir nicht nehmen lassen.“
Juliana, 23, arbeitslos, seit fünf Jahren Alkoholikerin
Ethanol ist eben nicht nur Gift für die Leber, sondern auch für die Nerven – allerdings nur bei wirklich krassem Konsum. Zwar zerstört es entgegen der weit verbreiteten Meinung vermutlich nicht direkt unsere grauen Zellen, da sich diese tatsächlich unter Abstinenz teilweise regenerieren. Dennoch weiß die Forschung, dass der regelmäßige Konsum von viel Alkohol nicht nur langfristig in die körperliche Abhängigkeit führt, sondern auch mit vielen anderen psychischen Erkrankungen wie Depression und Angst einhergeht.
So gesehen ist der Kater am nächsten Tag vielleicht doch nicht das Schlechteste – manch eineN zwingt er schließlich ab und an, eine Weile auf Gerstensaft und Co. zu verzichten. Na dann: Prost!
:Melinda Baranyai & :Katharina Cygan
Steckbrief: Alkohol
Erste Räusche: 3.500 v. Chr. in Mesopotamien
Wirkstoff: Ethanol
Wirkung: zunächst anregend, dann sedierend
Zu sehen in: „Leaving Las Vegas“
In unserer Drogenreihe stellen wir Euch die Wirkungsweise verschiedener Substanzen vor – Erfahrungsberichte treffen auf Wissenschaft.
Lest hier auch den anderen bisher erschienenen Artikel der Reihe:
„Schmetterling trifft Handgranate“
„Die Droge der Reichen und Schönen“
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