Bild: Wenn sich Unternehmen grünwaschen, ist gesunde Skepsis angesagt., Wie die Bergbauindustrie versucht, die Braunkohle aufzuwerten Meme: Jan Freytag

Kohle hat im Gegensatz zu Energieformen wie Wind, Wasser und Solarenergie einen schlechten Ruf. Für den Abbau des fossilen Brennstoffs wird die Natur zerstört und Menschen müssen ihre angestammte Heimat verlassen. Doch scheint es auch Unterstützung für die Braunkohle zu geben. Der Verein „Unser Revier – unsere Zukunft – An Rur und Erft“ hat sich genau dies auf die Fahnen geschrieben. Wer steckt dahinter – Einwohner, die ihre Stromversorgung gefährdet sehen, oder besorgte Politiker? Und was hat das alles mit Lobbyismus zu tun? 

Gegründet wurde der Verein im April diesen Jahres – Radio Erft zu Folge – mit dem ausgesprochenen Ziel, für den Erhalt der Kohle zu kämpfen. Auf der Homepage des Vereins wird klar, welche Mittel hierfür eingesetzt werden. Der Verein versucht, politische Begriffe neu zu besetzen und teilweise in ihr Gegenteil zu verkehren. Aus dem nichterneuerbaren, umweltschädigenden, fossilen Brennstoff Braunkohle wird eine „verlässliche heimische Energie.“ Dem Bild der zerstörerischen Bagger wird das jenige des Kümmerers gegenübergestellt: „Regionale Identität soll durch Förderung von Institutionen und Einrichtungen, die das kulturelle, bürgerschaftliche, soziale Leben mitgestalten, gestärkt werden …“ 

Zudem werden BraunekohlegegnerInnen gezielt schlecht gemacht, wie etwa auf der Demo des Vereins in Niederzier. Theo Schlösser, Vorsitzender des Vereins, kommentierte die Geschehnisse rund um die Aktion „Ende Gelände“ in Garzweiler wie folgt: „Mit großer Besorgnis haben wir beobachten müssen, dass Aktivisten, die ganz überwiegend von außerhalb des Reviers stammen, die notwendigen sachlichen Auseinandersetzungen um das Thema Braunkohle zu einem Konflikt eskalieren ließen.“ 

Auffällige Verbindungen in Politik und Industrie

Ein weiterer Blick auf die Homepage von „Unser Revier – unsere Zukunft“ verrät, wie eng der Verein mit der Kohleindustrie und RWE verzahnt ist. Schatzmeister des Vereins ist Bernd Schumacher, Betriebsrat bei RWE. Zudem ist Thomas Mock, ein Vertreter der Aluminiumindustrie, Stellvertretender Vorsitzender der Initiative.

Ein wenig versteckter ist die Verbindung zum Bundesverband Braunkohle: „Unser Revier – unsere Zukunft“ und der Bundesverband Braunkohle nutzen das gleiche Kölner Postfach. Die Verbindungen des Vereins reichen bis weit in die Politik hinein; sowohl ein 

CDU–Bundestagsabgeordneter als auch ein SPD–Landtagsabgeordneter sind Mitglieder des Vorstandes. Aber warum geben sich Konzerne und Industrien solche Mühe, Schein-Bürgerbewegungen aufzubauen und welche Strategie steckt dahinter? 

Der Gründung solcher Vereine liegt eine simple und effektive Strategie zu Grunde, die des „Grünwaschens“. Gerade Vertreter von schmutzigen Industrien bedienen sich gerne solcher Mittel. „Grünwaschen“ bezeichnet nach Ulrich Müller von Lobbycontrol „eine Strategie, mit der sich Akteure durch die gezielte Verbreitung von Desinformationen ein Image ökologischer Verantwortung zu verschaffen suchen“. Die Methoden, um einen Konzern grünzuwaschen, sind dabei vielfältig. Müller zufolge reichen sie von Anzeigen und Werbeplakaten über Modellprojekte bis hin zu industriegesteuerten Schein–Bürgerinitiativen. Mit Hilfe dieser Initiativen betreiben Verbände die Mobilisierung von MitarbeiterInnen und BürgerInnen für die eigene Lobbyarbeit; dies wird nach dem englischen Wort für Kunstrasen als „astroturfing“ bezeichnet. 

Die Industrie als versteckter Meinungsmacher

Vereine wie „Unser Revier – unsere Zukunft“ zeigen, dass nicht jede Bürgerbewegung auch von den Sorgen der BürgerInnen getragen wird; manchmal stecken auch schlicht Industrieinteressen hinter solchen Initiativen. Die Verbindungen zwischen Industrie und Vereinen sind dabei häufig nicht leicht zu enttarnen. Dies macht es für die Industrie umso attraktiver, sich eines solchen Mittels zu bedienen. Hiergegen helfen nur transparentere Unternehmen und ein genaueres Hinsehen der Öffentlichkeit – ein Vorschlag, den auch Ulrich Müller unterstützt.

:Gastautor Jan Freytag ist Archivar bei der :bsz

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