Bild: Vielseitiges Rauschmittel: Das psychoaktive THC der Cannabispflanze kann geraucht oder in Butter verkocht aufgenommen werden., :bsz-Drogenreihe: Psychoaktive Wundermittel oder gefährliche Nervengifte? Die Neurobiologie hinter Drogentrips Foto: anonym

„Smoke weed every day“ – das dachten sich nicht nur Snoop Dogg und Dr. Dre Ende der 90er, sondern bereits das Nomadenvolk der Skythen zweieinhalbtausend Jahre zuvor. Sie berauschten sich in ihren Zelten mit geräucherten Hanfsamen; heutzutage macht eher der selbstgebaute Joint die Runde.

Meist kommen in die selbstgedrehte Fluppe neben Nikotin die getrockneten Blütenblätter (Marihuana) der Hanfpflanze Cannabis. Etwas mehr Wirkstoff enthält das in Fett gelöste Harz, das zum Beispiel in Space Cookies verbacken und über die Verdauung aufgenommen wird. Je nach Konsumform tritt die Wirkung unterschiedlich schnell ein – beim Inhalieren bereits nach einigen Minuten, beim Verspeisen erst bis zu einer Stunde danach. Dafür beschert letztere Variante einen deutlich längeren Rausch.

THC-kompatibles System im Gehirn

In Cannabis stecken über 60 pharmakologisch aktive Stoffe. Der meist erforschte ist das Tetrahydrocannabinol (THC), das perfekt mit dem Endocannabinoid-System unseres Organismus interagiert. Seine Molekülstruktur passt zu den Bindungsstellen im Gehirn und an anderen Organen, an die normalerweise körpereigenen Cannabinoide andocken, um Immun- sowie Lern- und Bewegungsprozesse zu modulieren.

„Es gibt verschiedene Arten von Gras: Das eine entspannt dich, das andere macht dich hibbelig. In Gesellschaft rauche ich lieber das, was mich nicht tiefenentspannt. Wenn ich richtig gutes Gras bekomme –  was auch immer seltener wird –, fühlt sich meine Stirn so an, als würde sie sich zusammenziehen, ich sehe alles etwas verschwommener und mich stresst nichts mehr, mir ist einfach alles egal.“
N., 29, RUB-Student: Konsumiert täglich circa ein Gramm Marihuana

Indem THC an diese Rezeptoren bindet, beeinflusst es die Bewegungskoordination, die Verarbeitung von Sinnesreizen, das Schmerzempfinden und auch das Gedächtnis. Vor allem letzteres leidet unter exzessivem Cannabiskonsum – bei komplexeren Merkaufgaben schneiden Langzeit-KifferInnen deutlich schlechter ab.

Entspannung, Apathie, Paranoia

Bei einem akuten Rausch steigen Herzfrequenz, Appetit und zunächst auch der Blutdruck. Dieser sinkt dann wieder, meist stellt sich damit auch ein (wohliges) Gefühl von Entspannung und Antriebslosigkeit ein. Die Stimmung kann von gehoben bis hin zu apathisch reichen; manchmal treten auch Bewusstseinsveränderungen auf, was in Wahnvorstellungen und Panikattacken münden kann. Je nach THC-Gehalt der Pflanze und der akuten Verfassung der KonsumentInnen unterscheiden sich die Rauschzustände stark, sodass Cannabis nicht immer den gewünschten Trip beschert.

„Mein Rausch sieht meistens so aus, dass sich alles in Zeitlupe bewegt. Auch die Wahrnehmung der Zeit ist bei mir anders, sie vergeht für mich kaum. Meine Reaktionen lassen nach und meine Beine fühlen sich an wie Gummi.“ 
K., 21, RUB-Student: Hat immer wieder depressive Phasen wegen Cannabis

Das Suchtpotenzial von THC ist umstritten; während überzeugte KonsumentInnen die Risiken runterspielen, warnen WissenschaftlerInnen vor allem vor der psychischen Abhängigkeit: Selbst wenn der Körper nicht zwangsläufig nach THC verlange, liefen besonders psychisch labile Personen Gefahr, nur noch durch regelmäßiges Kiffen ihren Alltag bewältigen zu können.

Steckbrief: Cannabis

Erste Räusche: 8. Jh. v. Chr. bei den Skythen

Wirkstoff: Tetrahydrocannabinol (THC)

Wirkung: beruhigend bis bewusstseinsverändernd

Zu sehen in: „Lammbock“

In unserer Drogenreihe stellen wir Euch die Wirkungsweise verschiedener Substanzen vor – Erfahrungsberichte treffen auf Wissenschaft.

Lest hier auch den anderen bisher erschienenen Artikel der Reihe:

„Schmetterling trifft Handgranate“

:Melinda Baranyai & Katharina Cygan

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