Ob der türkische Gemüseladen an der Ecke oder das polnische Bier im handelsüblichen Supermarkt, egal aus welchen Kulturkreisen auch immer die beispielhaften Genussmittel stammen, so verschönern sie uns den Alltag im Ruhrgebiet. Doch wie kam es zur Multi-Kulti-Gesellschaft in der Ruhr-Metropole?
Grund für die „Migrationswellen“ war unter anderem die Kohle: Der Steinkohlebergbau weist hier eine lange Tradition auf. 1296 wurde dieser erstmals in einer Urkunde erwähnt. Die erste Zeche befand sich in Dortmund. Dabei wurde die Kohle anfänglich von Kleinbauern abgebaut, die sich noch etwas dazuverdienen wollten. Als dann die Dampfmaschine im 18. Jahrhundert erfunden wurde, breitete sich der Kohleabbau in den Norden aus. Zudem wurde dann Kohle zu Koks verarbeitet, mit dem man die Eisen- und Stahlgewinnung optimieren konnte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam es zu erheblichen Zuwanderungen, sodass innerhalb von gut 150 Jahren die EinwohnerInnenzahl um das Zwanzigfache zunahm. Arbeiter aus ganz Westfalen zogen ins Ruhrgebiet, aber auch Holländer und die sogenannten Ruhrpolen (siehe :bsz 1020). Trotz der Folgen des Ersten Weltkrieges sowie der Weltwirtschaftskrise von 1929 kam es in dieser Zeit zu Produktionshöchstständen.
In den 1960er Jahren folgte eine weitere „Zuwanderungswelle“, nur dieses Mal aus dem Mittelmeerraum. Die Zukunftsperspektiven der Arbeit im Bergbau waren unsicher und es fehlte an Arbeitskräften. Doch Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien, Italien, Griechenland und vor allem der Türkei nahmen die Arbeit an. Die zweite Generation der EinwanderInnen hat es heute schon deutlich einfacher: Adem beispielsweise studiert Physik, sein Vater kam aus der Nähe von Ankara 1979 nach Dortmund, um im Bergbau zu arbeiten, er verliebte sich in Erika und sie bekamen acht Jahre später Adem.
Integration und Segregation
Die Toten Hosen sangen einst: „Der Sascha, der ist arbeitslos, was macht er ohne Arbeit bloß? […] Er isst so gern Cevapcici, Kroaten mochte er noch nie.“ Obwohl zwei Kulturen das gleiche mögen, wird die Person mit Migrationshintergrund beleidigt und angepöbelt. Wie zum Beispiel vor kurzem im Rewirpowerstadion: Ein griechischer VfL-Fan wurde von einem rassistischen Fan als „Kanacke“ beschimpft. Rassistische Fan-Äußerungen gegenüber ausländischen VfL-Bochum-Fans sind wohl Ausdruck großer Borniertheit; es ist ja nicht so, dass beide den gleichen Spielern – wie etwa Stefano Celozzi, Mimoun Azaouagh oder Faton Toski – zujubeln.
In den 1990er Jahren kam es zu verstärkter Zuwanderung aus dem Balkan: Kriegsflüchtlinge suchen zum Teil bis heute Schutz in Deutschland. So etwa beantragte etwa 1996 eine Familie aus Albanien Asyl in Dortmund. Sie hatte quasi nichts. Zu zehnt schliefen sie in einem 16 Quadratmeter großen Zimmer. Heute leben die Eltern in einer schönen Wohnung, ihre Kinder haben eine Ausbildung absolviert und fühlen sich zu Hause. Und bei jedem Deutschland-Spiel freuen sie sich, wenn ihr (neues) Heimatland gewinnt.
:Katharina Cygan
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