Der Tod des Afroamerikaners Michael Brown (18), der in der Kleinstadt Ferguson im US-Bundesstaat Missouri von einem Polizisten erschossen wurde, offenbart die USA als ein Konstrukt, das auch im Jahr 2014 noch vom Keim des Rassismus durchdrungen ist: Die Vorwürfe, die Erschießung von Brown, der unbewaffnet war, sei eine rassistisch motivierte Tat gewesen, wachsen. Gleichzeitig fährt die Polizei in vielen Städten schwerere Geschütze zur Verrichtung ihrer Arbeit auf – im wahrsten Sinne des Wortes.
Knapp eine Woche lang verschwieg die Polizei den Namen des Beamten, der die tödlichen Schüsse auf Michael Brown abfeuerte. Als sie den Namen des Schützen dann endlich nannte, veröffentlichte sie gleichzeitig einen Polizeibericht, in dem die Schüsse auf den unbewaffneten Jugendlichen als Notwehr erklärt wurden, da man Brown des Überfalls auf ein Geschäft verdächtigt habe. Dies deckt sich nicht mit Aussagen von AugenzeugInnen, die lediglich beobachtet haben wollen, wie Brown vor einem Polizeiauto auf einer Straße ging, woraufhin ihn der Polizist aufgefordert habe, auf den Bürgersteig zu wechseln. Als Brown sich weigerte, kam es zu den Schüssen, die ihn schließlich töteten.
Notwehr oder rassistische Motive?
„Wir sind Michael Brown!“, skandierten daraufhin Tausende BürgerInnen, die in der Tat einen rassistisch motivierten Übergriff sehen. Die Bevölkerung der Stadt Ferguson besteht mehrheitlich aus AfroamerikanerInnen, die Stadtverwaltung aber überwiegend aus hellhäutigen AmerikanerInnen – so sieht es in vielen Gemeinden der USA aus: Für viele ein Zeichen, dass die frühere Segregation von Hell- und Dunkelhäutigen noch immer ihre Spuren in der amerikanischen Gesellschaft hinterlassen hat. Auch der Fall Michael Brown ist nicht der erste, bei dem die Polizei im Verdacht des Rassismus gegenüber AfroamerikanerInnen steht: Im Februar 2012 wurde der dunkelhäutige Teenager Trayvon Martin von einem Nachbarschaftswachmann erschossen, der sich ebenfalls darauf berief, in Notwehr gehandelt zu haben – auch hier geriet die Polizei in die Kritik, nachdem der Täter im Juli 2013 freigesprochen wurde.
Ein Panzer für die Uni
Doch nicht nur dieser Verdacht sorgt derzeit dafür, dass sich viele US-BürgerInnen von ihrer eigenen Polizei eingeschüchtert fühlen: Panzerfahrzeuge vom Typ MRAP, die normalerweise in Kriegsgebieten wie Afghanistan und dem Irak eingesetzt werden, sind auf US-Straßen keine Seltenheit mehr – eingesetzt werden sie allerdings nicht gegen Minen oder feindliche SoldatInnen, sondern gegen gewöhnliche kriminelle Delikte. Selbst StadträtInnen wie William Pollnow Jr., der im Rat der Kleinstadt Neenah im Bundesstaat Wisconsin sitzt, halten es für fraglich, ob die Polizei solch schweres Geschütz benötigt. Sogar an US-Unis hat die Militarisierung bereits Einzug gehalten: Neben zahlreichen Kleinstädten bekam auch die Ohio State University eines der 432 MRAP-Panzerfahrzeuge – wofür sie es benötigt, ist unklar.
Gekauft und bereitgestellt wird die Kriegsmaschinerie vom US-Verteidigungsministerium, das neben den MRAP-Panzern auch bislang etwa 180.000 Waffenmagazine und knapp 45.000 Nachtsichtgeräte an Polizeibehörden im ganzen Land verteilt hat. Auch die Uniform der PolizistInnen scheint sich dem Trend zur Militarisierung anzugleichen: Bei den Demonstrationen zu Michael Browns Tod in Ferguson trugen die PolizistInnen eine Uniform, die sich kaum von jener unterscheidet, die von US-SoldatInnen getragen wird. „Warum braucht eine 21.000-Einwohner-Stadt in Missouri eine Polizei, die stärker bewaffnet ist als die Royal Ulster Constabulary (ehemalige Polizei in Nordirland, die aufgrund des IRA-Terrors als sehr gefährlich lebende Einheit galt, Anm. d. Red.) Mitte der 80er Jahre?“, fragt Matt Ford, ein Mitarbeiter des Magazins „The Atlantic“ auf Twitter. Er spricht aus, was viele denken: Die US-Polizei scheint Angst vor ihren eigenen BürgerInen zu bekommen – und umgekehrt.
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