Bild: :Kommentar: Israelkritik bedient sich auch antisemitischer Muster

Jede Kritik an Israels Militäreinsatz im Gazastreifen als Antisemitismus zu bezeichnen, ergibt keinen Sinn. Ebenso aber auch, sich reflexartig diesen Vorwurf der ach so berechtigten Israelkritik gegenüber zu verbitten. Es macht einen Unterschied, wer warum und wie Kritik äußert, denn Antisemitismus beginnt nicht erst mit Brandsätzen auf Synagogen.

Dass genau dies im Jahr 2014 in Deutschland in Wuppertal passiert ist, macht fassungslos. Nicht dass jüngste Angriffe auf jüdische BürgerInnen und Einrichtungen in Frankreich oder schon der Terroranschlag auf das jüdische Museum in Brüssel im Juni weniger schlimm wären – aber in Deutschland wiegen solche Straftaten aus Judenhass noch schwerer. Der Anschlag von Wuppertal zeigt, dass Antisemitismus nicht nur eine Frage deutscher Holocaust-Aufarbeitung im Geschichtsunterricht ist, sondern auch ein Problem des Jetzt und Hier. Laut Studien wie dem Antisemitismusbericht des Bundestags hat ein Fünftel der Deutschen latente antisemitische Vorurteile. Offen treten sie zutage, wenn jüdische Grabsteine beschmiert werden, wenn „Jude“ auf Schulhöfen (wieder) als Schimpfwort gebraucht wird, und wenn Demo-Parolen an übelste antijüdische Hetze wie dem Kindermord-Mythos anknüpfen, im Namen empörter Kritik auf Israel umgemünzt.

Und wieder einmal scheitert der Versuch, den arabisch-israelischen Konflikt aus einem Artikel gegen antisemitische Hetze herauszuhalten. Der Grund dafür ist, dass diejenigen, welche den Nahost-Konflikt als Anlass und/oder Projektionsfläche für ihre Ressentiments missbrauchen, sich nicht um eine Unterscheidung scheren – ob nun aus Dummheit, Ignoranz oder schlicht Kalkül. Es ist so bequem, die Grundlagen sind bei vielen vorhanden – nicht zuletzt weil der christliche Antijudaismus tief in der abendländischen Kultur eingegraben ist, jederzeit reaktivierbar. Umso perfider wirkt da der Versuch, den aktuellen Antisemitismus als vor allem aus der muslimischen Gemeinde kommend darzustellen. Auch die Trennschärfe zwischen antisemitischen Parolen von Hamas-UnterstützerInnen und dem Antizionismus der antiimperialistischen Linken ist mitunter sehr gering. Der Kalte Krieg, als die UdSSR mit arabischen Staaten und PLO Front gegen USA und Israel machte, schwingt noch mit. Dass in Jahrzehnten des Konflikts jüdische Menschen aus arabischen und selbst Ostblock-Staaten vertrieben wurden und dass Israel häufiger von seinen arabischen Nachbarstaaten angegriffen wurde als umgekehrt, womit die PalästinenserInnen auch Opfer deren Politik sind, gerät angesichts aktuellen palästinensischen Leids aus dem Blick. Dass Israel sich gegen Angriffe verteidigen können muss, sollte unstrittig sein. Über das Ausmaß zu streiten und dagegen zu demonstrieren, ist legitim – aber bei antisemitischen Parolen und Angriffen sollte aus derselben Demo heraus Zivilcourage dagegen gezeigt werden.

Denn Juden und Jüdinnen in Deutschland sind weder verantwortlich für die israelische Politik noch sind sie SoldatInnen der israelischen Armee; sie sind keine Israelis und ihre Synagogen keine Konsulate, und selbst wenn sie es wären, dürften sie genauso wenig aus Wut über palästinensische Opfer angegriffen werden. Wer aus welchen Gründen auch immer keine Solidarität mit Israel üben mag, sollte es wenigstens für seine jüdischen MitbürgerInnen tun, denn es schließt kein Mitgefühl mit der palästinensischen Zivilbevölkerung aus.

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