Schon Tocotronic-Frontmann Dirk von Lowtzow hat es Mitte der 90er ironisch gegrölt: „Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein.“ Wie vielfältig jugendliche Bewegungen sein können, was von manchen übrig geblieben ist oder wie sie fortleben, zeigt die Ausstellung „Einfach Anders! Jugendliche Subkulturen im Ruhrgebiet“ im LWL-Museum der Zeche Hannover in Bochum. Angefangen bei der Wandervogelbewegung, über jugendliche Widerstandsgruppierungen im Dritten Reich bis hin zu gegenwärtigen Tendenzen wie dem Steam-Punk oder die Graffiti-Szene wird das subkulturelle Geschehen im Ruhrgebiet in Texttafeln, Videos und Requisiten spannend dokumentiert.
So wild soll es hier mal zugegangen sein: Wegen Wohnungsnot vergibt das damalige Akafö der RUB kurzfristig Mietverträge für die Wohnflächen im Hausnerviertel. Nach Bauplänen (die Gentrifizierung steckte in den Kinderschuhen) wurden die Verträge seitens der RUB gekündigt. Die Menschen blieben allerdings, einige schlossen sich dieser Hausbesetzung an. Aus dem zahlreichen Widerstand gegen die Räumung entwickelte sich ein Kampf zwischen Stadt wie Polizei und den „Verrückten“, die sich anmaßten, unabhängig von Konsum und Konkurrenzdenken Räume für alternative Lebensformen zu verteidigen. Geblieben war zunächst das damalige autonome Kulturzentrum an der Pestalozzistraße (heute Theater Thealozzi). Der Kampf gegen den Abriss des Bochumer Hausnerviertels ist neben dem Dorstfelder Wohnungskampf oder der Besetzung des Heidhof-Komplexes in Dortmund eines der spannenden Kapitel der jugendlichen Hausbesetzerszene, die sich im Ruhrgebiet ausdrückte.
Auch andere jugendliche Strömungen konnten sich im urbanen Ballungsraum oder in der Arbeiterklasse stark verankern: Mit der Präsenz der Alliierten konnte sich eine anglophile Jazz-Jugend entwickeln, deren Begeisterung für amerikanische Kultur sich in den zahlreichen Hot-Clubs niederschlug, aus denen etwa das Dortmunder Domicil hervorgegangen ist. Als erstmals wichtige jugendliche Zielgruppe für Konsum und Kommerz entwickelten sich dagegen die Halbstarken, die mit ihren Mopeds, die symbolisch den neuen Wohlstand ausdrückten, durch das noch vom Krieg gezeichnete Ruhrgebiet knatterten – der rebellische Teenager im Stile James Deans war damit auch im Ruhrpott geboren und verwickelte sich nicht selten in Keilereien mit rivalisierenden Grüppchen. 1965 randalierten Jugendliche in Bochum, zu Ausschreitungen und Auseinandersetzungen der Polizei mit 800 Jugendlichen kam es auch in Dortmund oder Gelsenkirchen.
Vergleichsweise ruhig verliefen dagegen die 68er-Proteste der Studierenden an den neuen Pendler-Unis in Bochum und Dortmund, spannende Archivfotos zeigen Proteste in Essen, etwa der Lehrlingsbewegung, oder die internationalen Songtage 1968 in der Gruga. Dann kamen die Hippies, Ökos, Punks, irgendwann die Techno- oder die Hip-Hop Szene. Die Ausstellung lässt all diese subkulturellen Figuren, wenn auch meist ein wenig unpolitisch, sehr spannend Revue passieren. Die Ausstellung läuft bis zum 7. September im LWL-Museum in der Zeche Hannover in Bochum.
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