Bild: „Die Game-Boy-Kamera ist das einzige offizielle Musikprogramm für den Game Boy, taugt aber nichts“: Retro-Computer-Musiker Tronimal erklärt, wie man auf dem Game Boy Musik machen kann – und wie besser nicht., Von zurückgekaufter Kindheit, Musik auf dem Game Boy und Genderdebatten Foto: mar

HeldInnen aus 256 Bildpunkten statt aus 100.000 Polygonen, Musik auf vier Tonspuren statt vom London Philharmonic Orchestra: Retro-Computer- und Videospiele erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Ob aus Nostalgie oder bewusster Abkehr von der leeren Effekthascherei vieler neuer Konsolen- und PC-Spieletitel – noch nie hat die Retro-Börse für klassische Videospiele im Ruhrgebiet so viele BesucherInnen angelockt wie in ihrer 13. Auflage, welche am vergangenen Samstag in Oberhausen stattfand. Trotz der Enge zeigten sich alle Beteiligten – VeranstalterInnen, BesucherInnen, HändlerInnen, GästInnen – zufrieden, wenn nicht begeistert.

Die Retro-Börse ist, anders als es der Name vermuten lässt, keine kommerzielle, reine Verkaufsveranstaltung. Auf jeder Börse gibt es ein Rahmenprogramm zur Video-spielkultur beziehungsweise Videospiele in der Kultur (diesmal mit Ausstellungen, Vorträgen und Konzerten zu den Themenkomplexen „Ton und Spiele“ sowie „Gender in Games“) und/oder Ausstellungen, die für FreundInnen der Technikgeschichte und SammlerInnen interessant sind (diesmal gab es eine „Sonder-Sonderausstellung“ zur in Vergessenheit geratenen Handheld-Konsole Supervision). Dazu fanden am Samstag die „6th German Classic Tetris Championship“ und ein Turnier im Atari-Klassiker „Pelé’s Soccer“ statt. Und auch in der Markthalle merkt man auf jeder Retro-Börse: Hier geht es trotz 40 teilnehmenden HändlerInnen nicht nur um die Schnäppchen- und Raritätenjagd; man kann alte Bekannte treffen und sich mit Gleichgesinnten austauschen. Einer der drei Hauptorganisatoren, Jens Klöpfel, nennt die Börse einen „nichtkommerziellen Szenetreff“, der bewusst anders funktioniere als die großen DVD- oder Musikbörsen, wo es meist nur um die Ware gehe.

Schlange stehen, Spiele sehen

Damit die Retro-Börse auch so gemütlich, familiär und atmosphärisch bleibt, hatten die Organisatoren vor anderthalb Jahren, auf der 10. Börse im Ruhrgebiet, der :bsz gesagt, sie wollten nicht expandieren. Am vergangenen Samstag aber kamen so viele Menschen ins Oberhausener Zentrum Altenberg, dass die Schlange schon vor Öffnung der Halle um 11 Uhr bis auf die Straße reichte, also durch den ganzen Hof der ehemaligen Zinkfabrik. Die Nachfrage nach alten Spielen und Konsolen, Computern und Zubehör steigt. Deshalb überlegen Jens Klöpfel und seine Kollegen Michael Braun und Jens Brinkmann, in Zukunft vielleicht doch größere Räume anzumieten. Nur bezahlbar müssen sie sein und ein gewisses Ambiente müssen sie haben. Gefördert wird die Retro-Börse nämlich von keiner offiziellen Stelle – verdient hätte sie es allerdings allein schon wegen des wertvollen kulturellen Teils.

16 Bit ist der Hit

Es ist die Zielgruppe, die wächst und sich entwickelt. Diejenigen NostalgikerInnen, die mit den ersten Heimcomputern wie dem ZX Spectrum (1982) oder dem Intellivision von Matell (1980) großgeworden sind, leben und sammeln immer noch, während derzeit schon langsam die Generation X-Box versucht, ihre Kindheit wieder aufleben zu lassen. Dabei zeichnet sich eine deutliche Veränderung innerhalb der Szene ab, analysiert Jens Klöpfel: „Die Interessen ändern sich. Heute sind 16-Bit-Konsolen, der Super Nintendo oder der Mega Drive stark nachgefragt. Man bemerkt auch ein gestiegenes Interesse am Sega Dreamcast.“ Auf der ersten Veranstaltung 2005 hätten noch Konsolen der zweiten Generation wie das ColecoVision im Zentrum des Interesses gestanden.

Kritik und Kunst der Konsolen

Auch der Umgang mit dem Medium Computerspiel verändert sich. Inhalte wie die Konstruktion von Geschlechterrollen in Spielen oder deren Werbung werden hinterfragt, wie der gut angenommene Vortrag von Nina Kiel zeigt. Die junge Kommunikationsdesignerin stellte ihr kürzlich erschienenes Buch „Gender in Games“ vor und hat auch die von BesucherInnen anspielbaren Spiele und Werbeanzeigen für die Ausstellung ausgesucht.

Mit einem ganz anderen Aspekt beschäftigte sich der zweite Vortrag des Tages: Tronimal alias Low Bit Revolte alias Jörg Rittershaus erklärte, wie man Musik mit dem Game Boy machen kann. Er stellte unterschiedliche Programme vor, die den unscheinbaren Taschencomputer in eine mehr oder weniger tüchtige Musikmaschine verwandeln können. Von optisch-akustischen Experimenten bis zur Grenze des Komponierens zum Programmieren gibt es eine ganze Fülle an Software.

Den Abschluss des Tages bildeten die SiegerInnenehrungen der beiden Spielturniere sowie Konzerte von Tronimal, dem Amiga-Musiker Tom Woxom und diZKOtrOOpa.

Wer jetzt Lust bekommen hat, seinen alten Super Nintendo vom Dachboden zu holen, kann diesen mit neuen Spielen von der nächsten Retro-Börse bestücken:

14. Retro-Börse im Ruhrgebiet
11. Oktober 2014
Falkenheim
Akademiestr. 69, Bochum

1 comments

  1. Das begleitende
    Das begleitende Kulturprogramm zur Retrobörse hat mir sehr zugesagt. Ich freue mich schon auf die nächste Auflage.

    Vielleicht sollte noch erwähnt werden, dass der Zutritt zum Kulturprogramm kostenlos war. Das ist ja nicht selbstverständlich.

You must be logged in to post a comment.