Bild: Und nach Opel? Der Pflanzenmarkt wird als Alternative angeboten., Feierliche Eröffnung: Sommerfestival des Detroit-Projekts startete vor dem Bergbaumuseum Foto: bent

Let the sunshine in: Aufgezogene Regenjackenkapuzen, Regenschirme, auf die ununterbrochen Regen prasselt. Eigentlich hatte man sich für die offizielle Eröffnungsfeier des Detroit-Projekts als Startschuss für das Sommerfestival ein passenderes Wetter vorgestellt. So versammelten sich die BesucherInnen auf dem regengetränkten Grün vor dem Bergbaumuseum, wo unter anderem die Bochumer Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz neben InitiatorInnen und KuratorInnen des Kulturfestivals sprach. Zur Eröffnung sollte die Lichtinstallation „How Love Could Be“ des Künstlers Tim Etchells am Fördergerüst des Bergbaumuseums präsentiert werden. Einen symbolischen Startschuss gab es am Sonntag mit der Mitmach-Pflanzaktion für den Gemeinschaftsgarten vor dem Schauspielhaus.

Was kommt nach Bochum? Mit der Schließung des Opelwerks zum Jahresende sind für viele BochumerInnen Zukunftsängste verbunden. Der zweitgrößte Arbeitgeber der Stadt fällt damit weg. Tausend Stellen ebenso. Und dann? Arbeitsamtbürokratie, Pfandflaschensammeln, Zeitarbeitsfirmavermittlung? In Bochum versucht man, einen vielleicht einmaligen Weg zu gehen – mit einem Mitmach-Kunstfestival, so der oft bemühte, inoffizielle Untertitel zum Detroit-Projekt. Der offizielle Untertitel: „This is not Detroit. This is Bochum.“ Denn mit der Schließung des größten Arbeitgebers tun sich Parallelen zur fordistischen Werkstatt in den USA auf. Dort wurden die Fabriken der Autohersteller ebenso geschlossen. Die Stadt hat unlängst Insolvenz angemeldet. Der Ort gleicht einer Geisterstadt. Der Kultregisseur Jim Jarmusch hatte das im letzten Jahr in seinem Film „Only Lovers Left Alive“ visuell aufgegriffen: Die Fabrikhallen stehen leer, das Kapital ist weitergezogen, langsam scheint sich dort die Natur die Stadt zurückzuerobern. Eben das soll in Bochum verhindert werden.

Motown-Barbecue, Live-Musik und Eröffnungsreden

Zum Start sollte es auf der Wiese vor dem Bergbaumusem ein Motown-Barbecue gegeben. Die BochumerInnen wurden dazu eingeladen, Klappstühle, Essen und Trinken mitzubringen – was man eben zum Picknick braucht. So richtiges Picknick-Feeling konnte ob des Dauerregens dann aber doch nicht aufkommen. Immerhin wurde ein Grill- und Bierstand organisiert, wo sich auch zunächst viele der BesucherInnen hinbewegten, während einige sich auf der matschigen Wiese um einen Pavillon drängten, unter dem eine Band des Bochumer Schauspielhauses spielte. Auch Original-Vinyls aus Detroit wurden aufgelegt. Genauso unbeirrt vom schlechten Wetter wie die anwesenden BochumerInnen gab sich auch die Tanzgruppe „Renegade“, die auf dem glitschigen Nass eine akrobatische Tanz-Performance hinlegte. Ja watt dann – auch das wäre ein möglicher Untertitel für diesen Abend. Da diese KünstlerInnen aus Berlin oder sonstwo angereist kamen, galt es diese Bochumer Mentalität vor dem Hintergrund von Arbeitsplatzvernichtung und Schlechtwetterresignation vorzuleben. Ein Regentanz für eine rosige Zukunft nach Opel war das. Einige Besucher­Innen tanzten mit. Zeitgleich wurde auch die Fotoaktion „Mein Bochum – unsere Zukunft“ präsentiert, wofür alle BochumerInnen gebeten wurden, mitzumachen und Fotos einzureichen, mit denen sie ihre Vorstellung von der Zukunft Bochums darstellen sollten.

„How Love Could Be“: Morgenrot für Bochum

In ihrer Eröffnungsrede vor der Präsentation der Lichtinstallation stimmte Bochums Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz auf den Wandel der Stadt ein: Die Schließung des Opelwerks sei auch eine Chance. Vor allem müsse sich die Stadt in Zukunft auch über Kunst und Kultur identifizieren. Auch die Ruhr-Uni spiele als größter Arbeitgeber der Stadt eine tragende Rolle. Ähnlich argumentierten auch die anwesenden InitiatorInnen und KuratorInnen des Detroit-Projekts: „Nicht die Kunst fordert die Gesellschaft heraus, sondern umgekehrt, die Gesellschaft die Kunst.“ Die Redebeiträge strapazierten aber auch die Geduld der Anwesenden, einige holten sich eine zweite Bratwurst, bevor dann die Lichtinstallation präsentiert wurde, untermalt vom Song „Bad Girl“ von The Miracles, einer Band des legendären Plattenlabels Motown aus Detroit. Aus dem Song stammt die Zeile „How Love Could Be“, die jetzt als verheißungsvolles LED-Morgenrot den Bochumer Abendhimmel erleuchtet.  Einige hatten etwas Spektakuläreres erwartet: „Dat war‘s schon“, machten sich manche nochmals auf den Weg zum Grillstand, um sich eine dritte Bratwurst zu genehmigen; dazu ein Pils. Moritz Fiege natürlich. Schließlich gilt es seit diesem Abend, die Kultur in Bochum ganz besonders zu stärken.

1 comments

  1. Detroit ist Bochum…
    …nur ein paar von uns haben es noch nicht mitbekommen.
    Ich finde der Regen passt sehr gut zu dem Anlass. Man könnte allerdings mal ein bisschen in Detroit recherchieren. Da hat man das Problem 20 Jahre vor Bochum schon gehabt und genauso trotzig ideenlos reagiert. Und in Detroit hat man die Lösung gefunden. Es ist zwar nicht wie im Artikel suggeriert, die Natur, aber doch immerhin die Agrar- und Forstwirtschaft, die die Flächen wieder ausbeutbar macht. Arbeitsplätze bringt das wenige. Aber hauptsache die Fläche wird genutzt. Und Platz werden wir viel haben in 20 Jahren, wenn Bochum auch nur halb so viele Einwohner verliert wie Detroit. Übrigens: Ein Schauspielhaus werden wir dann nicht mehr haben, in 20 Jahren – vielleicht ist es gerade das Schauspielhaus, das aufbegehrt, weil es weiß, dass es in einer Stadt mit ca. 150 000 Einwohnern nicht mehr am Kacken gehalten werden kann? 🙂 Glück auf! Und ein Hoch auf die Steinkohle und den Stahl und die Autos – mit Haareschneiden und Theaterspielen kann sich keine Stadt finanzieren…

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