Zwar vermag ein Kunstfestival nicht, die Probleme des Strukturwandels zu lösen, doch es kann Ansätze und neue Perspektiven bieten, Auswege aus der Krise zu finden. Das ist der Anspruch des Detroit-Projekts, welches vom 26. April bis zum 5. Juli in ganz Bochum stattfindet. Letzte Woche wurde im Schauspielhaus das Programm vorgestellt.

Die Krise des Opel-Konzerns ist für die betroffenen europäischen Werke wie für die Opelstädte eine Chance, sich künstlerisch mit ihrer Zukunft auseinanderzusetzen und eine besondere Art der Städtepartnerschaft zu schmieden. Es ist passend, diese nach der ebenfalls krisengebeutelten Autostadt Detroit zu benennen, wo der Mutterkonzern General Motors seinen Sitz hat und über das Schicksal der europäischen Belegschaften entscheidet. Dass die Initiative zum Detroit-Projekt von Bochum ausging, verwundert ebensowenig angesichts der Entscheidung, das Bochumer Werk zu schließen. Hier in Bochum kommen nun neben KünstlerInnen aus der Region auch solche zusammen, die aus dem nordspanischen Zaragoza, aus Gliwice im südlichen Polen sowie aus dem britischen Opel-Standort Ellesmere Port nahe Liverpool stammen.

Der Startschuss für das auf ein Jahr angelegte Detroit-Projekt fiel bereits im vergangenen Oktober. Viel Zeit floss seitdem in die Vorbereitung der rund 20 Kunstprojekte, die in Bochum realisiert werden. Nun sei aber der Augenblick gekommen, die einzelnen Arbeiten zu benennen, erklärt Olaf Kröck, einer der geschäftsführenden DramaturgInnen am Schauspielhaus Bochum. Dabei seien es keine Reproduktionen bereits bestehender Werke. „Alle werden eigens für Bochum neu produziert“, so Kröck. „Dabei besteht auch ein gewisses künstlerisches Risiko, denn wir wissen selbst noch nicht, was dabei herauskommt.“

Gefühl der ständigen Krise

Über Skype-Schalten zu den Koordina­torInnen in Spanien, Polen und Großbritannien konnten diese persönlich einen kurzen Vorgeschmack auf die zu erwartenden Arbeiten geben sowie einen Einblick in die Situation vor Ort.

In Spanien beispielsweise fühle es sich im Moment an wie in Detroit, als sei es eine ständige Krise, meinte der spanische Projektkoordinator Alberto Nanclares. „Wir spüren, wie all unsere alten Ideen verschwinden. Das Gefühl ist, dass die nächsten Jahrzehnte ganz anders sein werden als die, die wir in der Kindheit kannten.“ Trotzdem berge die Krise auch die Möglichkeit Neues zu schaffen. So beschäftige sich das Projekt „basurama“ (von spanisch basura für Müll) mit Abfall, Umwelt und Stadt. Die Frage sei, wie es nach der kapitalistischen Umweltzerstörung weitergehen könne, so Nanclares. Das Tanzprojekt „Trayectos“ werde zudem eine choreografische Vermessung Bochums wagen.

Der bedeutende polnische Künstler Robert Kuśmirowski, der sich damit auseinandersetzt, was Menschen an der Industriekultur schön finden, und industrielle Räume künstlich nachbaut, wird ebenfalls nach Bochum kommen. Im Kellerlabyrinth der Zeche 1 (Prinz-Regent-Straße) soll Kuśmirowskis Vision der Hölle entstehen.

Das auffälligste Projekt von englischer Seite wird eine LED-Installation von Tim Etchells sein, welcher dem Förderturm des Bergbau-Museums die leuchtende Liedzeile „How Love Could Be“ hinzufügen wird. Sie stammt aus einem frühen Motown-Song, einer eng mit Detroit verbundenen Musik­richtung.


Eine Zukunft nach der Industrie

Auch wenn sich die Voraussetzungen in den einzelnen Ländern unterschieden, so beschäftigten sie sich dennoch mit der gleichen grundlegenden Problematik, meint Katja Aßmann, künstlerische Leiterin von Urbane Künste Ruhr.

„Wie wollen wir nach dem kompletten Weggang der Schwerindustrie die Zukunft unserer Städte formulieren“, bringt Aßmann die Fragestellung auf den Punkt. Die 3.000 Arbeitsplätze, welche durch Opel wegfallen, seien zwar aufs gesamte Ruhrgebiet gerechnet kein großer Einschnitt, bedeuteten aber für Bochum ein Ende der Schwerindustrie, so Aßmann.

Das Detroit-Projekt hat ein finanzielles Volumen von 1,1 Millionen und wird von der Kunststiftung des Bundes und der Kunststiftung NRW sowie weiteren Partnern gefördert. Vor Ort in Bochum wird das Projekt von Urbane Künste Ruhr sowie dem Schauspielhaus Bochum organisiert. Man stelle sich auf diese Weise den Fragen des Strukturwandels, der auch  Institutionen wie ein Theater betreffe, sagte Schauspielhaus-Intendant Anselm Weber.

„Wir als Stadttheater können nicht so tun, als könnte die Vergangenheit wie die Zukunft sein“, so Weber. Die Zeit der Schwerindustrie gehöre der Vergangenheit an, der Wandel vollziehe sich hin zu mehr Kultur und Bildung. Auch wenn die Stadt immer noch seine Identität aus der industriellen Vergangenheit zieht, könne sich Bochum wegen seiner sieben Hochschulen und 55.000 Studierenden ebensogut als Stadt der Universitäten und der Bildung identifizieren.

Mehr Infos gibt es im Netz unter: thisisnotdetroit.de

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