Wenn sich ein Trio Enthusiasten anschickt, für ihr Hobby eine Lanze zu brechen, dann muss es schon ein besonderer Zeitvertreib sein. Es ist das Rollenspiel, für das sich Moritz Mehlem mit seinen Mitstreitern so ins Zeug legt. Als Pendant zum englischsprachigen Free RPG Day (Role Playing Game) soll der Gratisrollenspieltag (GRT) 2014 nun zum dritten Mal die Szene im deutschsprachigen Raum zusammenbringen. Auch in Bochum wird zu diesem Anlass gezockt, im Highlander Games und in der Kneipe Zu den Vier Winden.
„Also ich finde es wichtig, dass vor Ort etwas geschieht“, erzählt Moritz. „Die Läden müssen unterstützt werden und die lokale Vernetzung sollte vorangetrieben werden.“ Für Moritz brachte die Organisation des GRT in den letzten drei Monaten viel zusätzliche Arbeit, vor allem Email-Korrespondenz. Etwa 120 Läden und Vereine beteiligen sich beim GRT; mit diesen musste ebenso der Kontakt gehalten werden wie mit den interessierten SpielleiterInnen. Bei der Bewältigung der Email-Flut wie bei der Pflege der Homepage wurde Moritz vor allem von Karsten Voigt unterstützt. Er selbst verhandelte mit den Rollenspielverlagen, damit diese Gratismaterial bereitstellten, das an die teilnehmenden Stellen geschickt werden konnte. Um den Versand der Päckchen kümmerte sich der Dritte im Bunde, Ralf.
Drei Rollenspiel-Bekloppte
„Im Vergleich zur ersten Ausgabe des ‚großen Bruders‘, des Free RPG Day, haben wir da sogar die Nase vorne; die haben damals nur um die 100 Pakete verschickt“, sagt Moritz zufrieden. Der GRT müsse sich aber erst einmal etablieren, denn auf so professionellen Füßen wie das Vorbild steht er noch nicht. „Wir sind derzeit einfach drei ‚Bekloppte‘ – oder sagen wir lieber ‚Enthusiasten‘ –, die ihre Connections in der Szene dazu nutzen wollen, dem gesamten Hobby einen Schub zu geben. Wie groß der Schub sein kann, wenn man komplett ohne finanzielle Unterstützung ein solches Event stemmt, wird sich mit der Zeit zeigen.“
Improtheater am Kaffeetisch
Aber noch einmal einen Schritt zurück: Was ist Rollenspiel überhaupt? Eine vage und wohl nicht ganz klischeefreie Ahnung vom Hobby Rollenspiel werden sogar viele von denen haben, die mit dem Hobby selbst nichts am Hut haben. Durch Computerspiele mag der Begriff Rollenspiel etwas geläufiger sein, aber das klassische Pen&Paper (oder P‘n‘P) ist dann doch eine völlig andere Bestie als Computer-RPGs. Uneingeweihte mögen es sich so vorstellen: Mehrere Menschen sitzen um einen Tisch – vor ihnen Würfel, Stift und Papier sowie sogenannte Charakterbögen voller Tabellen und Zahlen, denen Außenstehende keinen Sinn entnehmen können. EinE SpielleiterIn beschreibt Szenen, auf welche die MitspielerInnen reagieren und die sie selbst mitgestalten. Es gehört ein Schuss Improvisationstheater dazu, was mal mehr, mal weniger gelingt und sich irgendwo zwischen Herr der Ringe und Ritter der Kokosnuss bewegt. Ab und zu aber kommen die SpielerInnen allein mit Reden nicht weiter, und dann müssen die Waffen sprechen, pardon, Würfel.
Wie viele dabei fallen, und vor allem welche, hängt vom System ab. Beim Genre-Urgestein Dungeons&Dragons wird die ganze Bandbreite platonischer Körper über den Spieltisch gekegelt, denn je nach Waffengattung werden Würfel mit vier, sechs, acht, zehn, zwölf oder zwanzig Seiten benötigt, um imaginäre Gegner fachgerecht zu zerteilen. Das Schwarze Auge (kurz DSA), das meistgespielte deutschsprachige Fantasy-Rollenspiel, beschränkt sich auf den klassischen W6 und den W20 genannten Ikosaeder, benutzt vom letztgenannten dafür aber gleich ein Trio, um Tests auf mehr oder weniger nützliche Fähigkeiten wie Zechen oder Heraldik abzulegen. Beim ebenfalls sehr beliebten Shadowrun, das Cyberpunk mit ein paar Fantasy-Elementen bietet, sind nur die normalen sechsseitigen Würfel erforderlich, davon aber am besten beutelweise. Daneben gibt es Dutzende anderer Systeme, in denen das Spielgerät nach so vielen Regelmechaniken zum Einsatz kommt, dass dies hier unmöglich Platz finden kann. Über die selbst innerhalb eines Systems oft widersprüchlichen Regeln streiten RollenspielerInnen zwar ähnlich leidenschaftlich wie sie tatsächlich spielen; viel wichtiger für die gemeinsam inszenierten Geschichten ist aber das Genre. Auch da gibt es eine große Vielfalt an Abenteuermöglichkeiten, ob nun Fantasy, Science Fiction, Steampunk, Horror, Superhelden oder etwas ganz anderes. Gerade in der Vielfalt liegt zuweilen auch die Tücke, etwa bei der Suche nach neuen MitspielerInnen. Nicht nur menschlich sollte es passen, auch beim System muss man kompatibel sein, sodass logischerweise kleinere Systeme im Nachteil sind. Um aber als erfahreneR SpielerIn mal etwas Neues auszuprobieren, dafür bietet der GRT ebenso die Gelegenheit wie das Heranführen von Neulingen an das Hobby Rollenspiel.
Über die Schulter gucken
Er sehe den GRT zwar nicht als „heiligen Gral“ an, um frisches Blut ins Hobby zu holen, sagt Moritz, es sei aber ein schöner Nebeneffekt. Bei den Events im Vorjahr seien an vielen Orten ein bis zwei Neulinge gewesen. „Wenn das an jeder Spielstätte so war, kann man das doch als Erfolg werten.“
Für Mitstreiter Karsten steht die Stärkung der Läden im Fokus, weil über diese NeueinsteigerInnen gewonnen werden. „Internet hin oder her, im Laden kann man mal ins Rollenspiel reinschnuppern, nicht im Internet. Da kann man mal in die Bücher gucken und anderen beim Spielen über die Schulter gucken.“
Im Highlander Games am Südring in Bochum setzt man auf diesen Effekt und hofft beim GRT neue SpielerInnen für das „klassische Pen&Paper-Rollenspiel zu begeistern“, aber auch Rollenspiel-VeteranInnen etwas zu bieten.
„Der GRT bietet eine gute Basis um Gleichgesinnte zu treffen und neue Spielrunden zu gründen“, so Jan von Highlander Games. Am Samstag werden dort ab 11 Uhr Spielrunden für die Systeme DSA und Shadowrun sowie Call of Cthulhu, Midgard und StarWars: Edge of the Empire angeboten.
Für Sven Stich, Inhaber der Rollenspiel-Kneipe Zu den Vier Winden in der Hofsteder Straße, ist der GRT kaum ein Unterschied zum normalen Betrieb, denn auch da treffen sich die Gäste zum Zocken.
„Im letzten Jahr haben wir bereits teilgenommen, da es sich allerdings mit unserem regelmäßigen P‘n‘P-Abend überschnitt, waren auch viele Spieler da, die nicht einmal wussten, dass es den Gratisrollenspieltag gibt. Darum sind wir gespannt, wie es dieses Jahr wird“, sagt der Rollenspiel-Kneipier. Er öffnet am Samstag extra drei Stunden früher, um 16 Uhr, damit die Gäste mehr Zeit zum Ausprobieren der Systeme haben. Was dann allerdings gespielt werde, entschieden die SpielleiterInnen spontan. „Sie leiten, worauf sie Lust haben.“
Weitere Infos im Internet unter
www.gratisrollenspieltag.de
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