Laue 20 Grad, Frühblüher und die ersten bunten Schmetterlinge: Am Wochenende haben wir einen Vorgeschmack auf den Frühling bekommen. Zu wohl keiner anderen Jahreszeit wirkt die Natur lebendiger als kurz nach ihrem Erwachen aus dem Winterschlaf. Wer diesen Erneuerungsprozess nicht zwischen Betontürmen verpassen möchte, kann einen Ausflug in den Botanischen Garten der Ruhr-Universität machen – und dort zusätzlich Wissenswertes rund um die Flora verschiedener Kontinente erfahren. Neben den obligatorischen Beschriftungstafeln sind neuerdings QR-Codes an einigen Pflanzen platziert. Denn ein von Studierenden verschiedener Fachrichtungen entwickelter Audioguide ist gerade in seine Testphase gestartet.
Schon am Garteneingang hinter der Mensa weist ein kleines Schild auf den neuen Guide hin. Darauf ist der erste QR-Code zu lesen. Also Handy raus, einscannen und siehe da: alle wichtigen Infos zur Grünanlage landen mit einem Klick kurz und knapp zusammengefasst auf dem Mobiltelefon. Das Ganze gibt’s zum Nachlesen oder eben Anhören. Zusätzlich kann ein Gartenplan heruntergeladen werden. Mit etwa 14 Hektar Fläche und einem Bestand von 12- bis 15.000 Arten gehört die Anlage an der Ruhr-Universität zu den zehn größten botanischen Gärten in Deutschland. Durch den 1971 eröffneten Garten führen etwa zehn Kilometer Wege. Fast die gesamte Freianlage ist tagsüber öffentlich zugänglich. Auch die Pflanzenschauhäuser mit 2.500 Quadratmetern von insgesamt 5.000 Quadratmetern Gewächshausfläche stehen offen für Besucher. Aufgrund seiner Lage am Hang hat der Botanische Garten viele Treppen. Die Universität bemühe sich, schrittweise Barrierefreiheit zu erreichen – auch das erklärt der Guide.
Nichts für NaturpuristInnen
Zugegeben: Eine Applikation fürs Smartphone, die den Streifzug durch die Vegetation zu einer Art Museumsbesuch mit permanentem Voice-Input macht, mag besonders für NaturpuristInnen ein Graus sein. Auch wer in der grünen Oase am Fuß der RUB Erholung und Abgeschiedenheit sucht, könnte sich durch ständiges Rumklicken auf dem Handy allzu schnell daran erinnern, dass oben auf dem Campus Stress und Menschen warten. Allen, die Natur und Technik mögen, ihr Smartphone ohnehin als permanent hilfreichen Begleiter nutzen, kann der neue Guide jedoch bequem und anschaulich Wissen vermitteln.
Zum Beispiel über die Amerikanische Gleditschie, einen sommergrünen Baum der Gattung der Gleditschien aus der Familie der Hülsenfrüchtler, heimisch in Misch- und Auewäldern des östlichen Nordamerika. Jetzt im Frühjahr hat sie noch keine Blätter, aber der Audioguide zeigt auf dem Handy-Bildschirm, wie diese mal aussehen werden. Er beinhaltet auch ein Bild der Baumkrone in voller Blätterpracht und zu verschiedenen Jahreszeiten. Zudem sind Informationen zu Blüten, Früchten, Borke des Baumes sowie weitere Trivia abrufbar.
Für Laien verständlich
„Inhaltlich war es uns wichtig, dass wir auch von Nicht-Botanikern verstanden werden und dass die Texte bei hoher fachlicher Präzision leicht verständlich sind“, sagt Professor Dr. Thomas Stützel, Direktor des Botanischen Gartens. Die Übersetzung für den Guide hat das Team von einer Amerikanistik-Studentin machen lassen. Und die habe stellenweise auch die deutschen Vorlagen kritisiert.
„Technisch haben wir Wert darauf gelegt, dass Bilder und Texte in einer Datenbank angelegt sind. Das Layout ist endgeräteabhängig gestaltet – das heißt, dieselben Daten sind am PC, auf dem Tablet und dem Smartphone in einer an das Gerät angepassten Form verfügbar. Sollte die Uni wieder einmal ihr Corporate Design ändern (an das das Layout des Guides angepasst ist, die Red.), müssen nur noch die Vorlagen geändert werden und nicht mehr die zurzeit fast 5.000 statischen Seiten“, erklärt der Biologe.
Mehrsprachig
Insgesamt arbeitet ein Team von fünf Studierenden gemeinsam an dem Projekt, das am Lehrstuhl für Evolution und Biodiversität der Pflanzen angesiedelt ist. Während auch andere Gärten bereits QR-Codes verwenden, ist die Besonderheit im Botanischen Garten der RUB die zusätzliche Audio- und Bildinformation. Bislang ist der Audioguide in Deutsch und Englisch abrufbar. Da im Team eine Studentin mit brasilianischen Wurzeln arbeitet, wird er bald auch in Portugiesisch angeboten.
So wird der Botanische Garten auch interessanter für internationale Studierende – ohne störende Beschilderung: „Mehrsprachige Schilder sind groß und verstellen die Optik. Deswegen war von vornherein die Idee, von einem Code aus mehrere Sprachen bedienen zu können“, so Stützel. Derzeit sind 20 Gewächse mit der neuen Beschilderung versehen. Nun möchte das Projektteam mit PartnernInnen von anderen botanischen Gärten zusammenarbeiten, um zügiger mehr Texte bereitstellen zu können.
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