„Wann kommt die Flut?“, fragten sich in Nordrhein-Westfalen viele, die die massiven Unwetter in Ost- und Süddeutschland auf den Fernsehschirmen mitverfolgen konnten. Mittlerweile wissen wir es: Am 20. Juni wurden auch Bochum und die Ruhr-Universität von den landesweiten Regenmassen heimgesucht. Die „Ruhrnachrichten“ berichten von 412 Unwetter-Einsätzen der Bochumer Feuerwehr. Neben der Ruhr-Universität waren Starlight-Express, das Bochumer Schauspielhaus, aber auch viele Betriebe und Privatwohnungen vor allem im Bochumer Osten und Süden betroffen.
Insgesamt waren am Donnerstag rund 150 Einsatzkräfte der Freiwilligen und der Berufsfeuerwehr im Dauereinsatz. Circa 40 HelferInnen vom Technischen Hilfswerk kamen zusätzlich zur Hilfe. Mit insgesamt 40 Fahrzeugen rückten die Feuerwehren an, um den in Not geratenen Menschen zu helfen. Um sich das Ausmaß der Regenfluten klar zu machen: Zwischen 13 und 15 Uhr fielen in Bochum durchschnittlich 73 Liter Regen pro Quadratmeter. Der Meteorologe Jörg Kachelmann rechnete auf Twitter vor, dass das die Menge Regen sei, die normalerweise in einem Monat falle.
Infrastruktur war den Wassermassen nicht gewachsen
In manchen Bereichen in Bochum wurde der Straßen- und Schienenverkehr zeitweise lahmgelegt. Zu Behinderungen kam es auf der Strecke der CampusLinie U35. Die Bahnen verkehrten unregelmäßig und die Station Oskar-Hoffmann-Straße konnte stundenlang nicht angefahren werden, weil sie mit Wasser gefüllt war. Ob dadurch die Sicherheit des Prestige-Baus „Exzenter-Haus“, das auf dem ehemaligen Hochbunker direkt über dieser U-Bahn Station errichtet wurde, beeinträchtigt wird, wurde bislang nicht kommentiert. Die Ängste der AnwohnerInnen, die schon im letzten Jahr durch Schäden in der U-Bahn Station geschürt wurden, dürften sich durch die offensichtliche Gefährdung des unterirdischen Gebäudes durch unvorhergesehene Regenfälle eher verstärken. Auch die Situation im unterirdischen Bereich des Bochumer Hauptbahnhofs war beängstigend: Wer beispielweise kurz vor 18 Uhr mit der Rolltreppe von der Station der U35 zum Ausgang Buddenbergplatz hinauffuhr, wurde zwangsläufig von mehreren Wasserstrahlen getroffen, die aus der Fassung einer Neonlichtröhre direkt auf die Rolltreppe herabregneten.
Auch an der Ruhr-Uni sind erhebliche Schäden entstanden
Die Gebäude unserer Alma Mater konnten den Wassermassen wenig entgegen setzen. In vielen Gebäuden wurden mit Wasser vollgelaufene Bereiche gesperrt. Im Parkhaus West standen Autos unter Wasser. Das Rechenzentrum musste den Betrieb vorübergehend einstellen, da sich das Wasser in den Regenrohren zurückstaute und sich im Doppelboden über dem Maschinensaal breit machte. Von dort schoss das Wasser in einem 5 Zentimeter breiten Strahl direkt über die Serverschränke. RUB-Mail, VSPL und andere interne Dienste waren stundenlang nicht erreichbar, da eine Notabschaltung des Stroms nicht vermeidbar war.
Die Mensa machte dicht
Studierende berichteten gegenüber der :bsz, dass plötzlich das Licht in der Mensa ausging. Gegen 15 Uhr musste der Betrieb eingestellt werden. Am Donnerstagabend schickte das AKAFÖ die Nachricht an die Presse, dass nun auch das Festnetz ausgefallen und der Pressesprecher nur noch per Mail und Handy erreichbar sei. In einer ersten Bilanz nach dem Unwetter befürchtet der AKAFÖ-Chef Jörg Lüken Schäden im hohen sechsstelligen Euro-Bereich. Die Fahrstuhlschächte der Mensa waren mit Wasser vollgelaufen, das sich auch in die Großküche, Veranstaltungs- und Büroräume und den Verzehrbereich ausbreitete. Sogar durch eine Wand im Treppenbereich der Mensa hat sich das Wasser seinen Weg gebahnt, wie ein Pressefoto des AKAFÖ belegt. Um den Betrieb aufrechtzuerhalten, machten die MitarbeiterInnen des Gastro-Teams Überstunden, und führten eine aufwendige Grundreinigung durch. Ihnen ist es zu verdanken, dass die Mensa ihren Betrieb rasch wieder aufnehmen konnte. Dankeschön!
Der Klimawandel könnte verantwortlich sein
Sind die Regen- und damit verbundenen Flutkatastrophen von Menschenhand gemacht? Darüber streiten sich WissenschaftlerInnen seit vielen Jahren international und kontrovers. Während wir in Bochum und Deutschland im weltweiten Vergleich noch relativ glimpflich davongekommen sind, beklagt zum Beispiel Indien dieser Tage hunderte von Toten durch Unwetter. In der Tat ist die Idee nicht ganz abwegig, dass der Mensch durch sein ständiges Streben nach immer mehr Wirtschaftswachstum und, damit verbunden, dem hemmungslosen Raubbau an der Natur zumindest sein Scherflein dazu beiträgt, dass sich kurzfristig das Wetter und langfristig das Klima verändert.
Kommt jetzt die Solidarität der Banken?
Die viel spannendere Frage ist, wie sich die Banken und Finanzinstitute jetzt verhalten werden. Europaweit wurden Banken mit Steuergeldern gerettet, weil ein naturkatastrophen-gleicher „Finanztsunami“ über sie gekommen war. Werden sie sich nun an den realen Katastrophenkosten beteiligen, um auch mal was an die Gesellschaft zurückzugeben oder liegt diese Idee „außerhalb ihres Geschäftsmodells“?
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