Der Frühling naht. Endlich. Der Winter war lang und unbequem. Die Strandbar verkauft wieder Eis und das Sommersemester wartet mit reichlich gesetzlichen Feiertagen auf. Da können wir uns auf das Wiesenfläzen vor GA/GB freuen und uns gegenseitig beim Sehen und Gesehenwerden beobachten. Ein guter Moment, um über Sexismus an der Uni zu sprechen, denn es wird Zeit.
Die Causa Brüderle ist abgeschlossen, Indien interessiert auch keineN mehr und die one billion rising haben sich wieder hingesetzt. Genug #aufgeschrien. Sexismus ist wieder ein ExpertInnenthema für das Orchiedeenfach Gender Studies und ein paar unverbesserliche IdealistInnen in der virtuellen und realen Welt. Endlich wieder Witze machen dürfen. Zurück bleibt das ‚Schreckgespenst‘ Political Correctness. Und mal ehrlich: Hatten wir überhaupt ein Problem? Mit dem medialen Interesse scheint sich auch das Problem, das für viele nie eines war, in Luft aufzulösen. Aber es bleibt eins, auch wenn wieder mal keineR davon sprechen mag.
Sexismus – Zahlen, Daten, Fakten
Der Duden definiert Sexismus als die „Vorstellung, nach der eines der beiden Geschlechter dem anderen von Natur aus überlegen sei, und die [daher für gerechtfertigt gehaltene] Diskriminierung, Unterdrückung, Zurücksetzung, Benachteiligung von Menschen, besonders der Frauen, aufgrund ihres Geschlechts.“ Eigentlich simpel. Doch was im Einzelnen darunter zu verstehen ist, ist erstaunlich umstritten. Dabei gibt es leicht zugängliche Zahlen, die eine eindeutige Sprache sprechen: Laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BmFSFJ) haben insgesamt 58,2 Prozent aller befragten Frauen Situationen sexueller Belästigung erleben müssen. 20 Prozent, wir reden also von einem Fünftel der Bevölkerung, fanden 2010, laut Bielefelder Forschungsergebnissen zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, dass sich Frauen mehr auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter konzentrieren sollten. Der Gender-Pay-Gap, also die Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern, beträgt derzeit rund 22 Prozent.
Sexismus an der Uni?
Laut BmFSFJ machten Frauen 2010 55,6 Prozent der AbiturientInnen aus. Im Studienjahr 2012 stellten sie, laut Statistischem Bundesamt, mit 243.683 knapp die Hälfte der Studierenden. Ein paar Karrierestufen höher sieht die Welt schon ganz anders aus. Der Frauenanteil der Promotionen lag, laut BmFSFJ, 2010 durchschnittlich bei 44,1 Prozent, der der Habilitationen bei 24,9 Prozent. Derzeit sind lediglich 19,2 Prozent der Hochschulprofessuren mit Frauen besetzt. Der hauseigenen, repräsentativen Studie der RUB zu „Gender-based violence, stalking and fear of crime“ lässt sich entnehmen, dass „allgemein 10.207 (81 Prozent) der befragten Studentinnen angaben, sexuelle Belästigung erlebt zu haben, für die Zeit während des Studiums [waren es] 6930 Studentinnen (54,7 Prozent)“ und resümiert, dass „junge Frauen überdurchschnittlich häufig von sexueller Belästigung betroffen sind.“ Weiterhin heißt es, dass „während allgemein 10,9 Prozent (1.219 Studentinnen) irgendeine Situation sexueller Gewalt erlebt haben“, „3,3 Prozent (363 Studentinnen) eine solche Situation für die Zeit des Studiums“ angaben. Am unsichersten fühlen sich die befragten Studentinnen in Tiefgaragen und Parkplätzen, den Außenanlagen sowie den Sport- und Umkleidekabinen der Hochschule. Auch letztes Semester haben sich wieder Studentinnen beim autonomen FrauenLesbenReferat beschwert, dass sie sich auf ihrem Heimweg nicht sicher fühlen. Schon seit 1994 soll der Weg zum StudentInnenwohnheim auf der Kollegstraße ungenügend beleuchtet sein. Das Stückchen Wald kennen BochumerInnen vielleicht unter dem griffigen Namen „Vergewaltigerwald“. Stadt und AStA haben den Referentinnen Hilfe zugesagt, passiert ist noch nichts.
Zahlen können aber nicht die banale Alltäglichkeit von Sexismus ausdrücken, denn Sexismus passiert auch, wenn vermeintlich nichts passiert. Wenn Beiträge von Frauen überhört werden, nur um dann unter Beifall von einem Kommilitonen in anderen Worten wiederholt zu werden. Wenn ein Romanistikstudent ein ‚schwules‘ Fach studiert. Wenn über eine Kommilitonin getuschelt wird, sie sei eine Schlampe. Wenn sich einer anstellt ‚wie ein Mädchen‘. Wenn der ‚Arsch‘ einer Kommilitonin lautstark bewertet wird. Wenn betont wird, dass eine Doktorandin ‚trotz‘ ihres guten Aussehens kompetent sei. Wenn es zwar Studierende heißt, Blackboard aber trotzdem nur Kursleiter kennt. Oder wenn es ein Dozent nicht fertig bringt, die studentische Gleichstellungsbeauftragte ohne ironischen Unterton vorzustellen.
Die RUB ist kein besonderer Härtefall. Sie ist eine Uni wie jede andere auch. Aber Universitäten, wie alle anderen öffentlichen Einrichtungen, existieren nicht im gesellschaftslosen Raum, sondern produzieren und reproduzieren gesellschaftliche Strukturen. Sexismus findet auch an der Uni statt. Sprecht ihn an!
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Wie schön! Redakteur/innen
Wie schön! Redakteur/innen der bsz können Statistiken zu sexueller Gewalt/Sexismus auswerten! Ein deutlicher Text, nun sollten es doch alle verstehen!