Seit 2008 ist das Rauchen in NRW in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen und Behörden verboten. Seitdem gilt das Verbot auch in Gaststätten, jedoch gab es bisher zahlreiche Ausnahmen. So konnten beispielsweise Gaststätten, die nicht größer als 75 Quadratmeter sind und in denen keine „zubereiteten Speisen“ angeboten werden, zu Raucherkneipen erklärt werden. Doch damit wird ab Mai Schluss sein: Dann tritt die Novellierung des Nichtraucherschutzgesetzes in Kraft – mit der Konsequenz, dass Rauchen in Kneipen überhaupt nicht mehr erlaubt ist. Weder in abgetrennten Raucherräumen noch in Raucherclubs.
Laut einer Studie der Universität Münster aus dem Jahr 2003 sterben jährlich rund 3.300 NichtraucherInnen in Deutschland an den Folgen des Passivrauchens. Dies ist einer der Gründe, welche die rot-grüne Landesregierung in NRW für die Verschärfung des Nichtraucherschutzgesetzes anführt. „Die Überprüfung des seit 2008 geltenden Nichtraucherschutzgesetzes hat gezeigt, dass das bestehende Gesetz aufgrund unklarer Bestimmungen sowie zahlreicher möglicher Ausnahmen keinen angemessenen Schutz für Nichtraucherinnen und Nichtraucher gewährleisten kann“, so Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Die Grünen) in einer Presseerklärung aus dem vergangenen Jahr. Mit Zahlen untermauert diese Annahme eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), die 2011 zu dem Ergebnis kam, dass trotz des Verbots weiterhin in jeder dritten Gaststätte geraucht werden dürfe, unter den Kneipen und Bars in NRW seien sogar 80 Prozent noch immer Raucherlokale. So konnten Gäste bisher frei wählen, ob sie ihr Bier lieber in verqualmter Kneipenatmosphäre oder in rauchfreier Umgebung zu sich nehmen wollten.
Zur Vernunft gezwungen
Ab Mai ist solch eine freie Entscheidung nicht mehr möglich. Dann werden RaucherInnen überall vor die Tür gesetzt werden. Der Hinweis am Eingang „Wir müssen leider draußen bleiben“, der bisher treu dreinblickenden Vierbeinern vorbehalten war, wird künftig also auch die Assoziation mit nach Nikotinabusus schmachtenden Zweibeinern hervorrufen. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens ist dazu geschickt gewählt: Für gewöhnlich geht im Mai die Straßensaison richtig los und mensch freut sich, endlich mal wieder draußen Kaffee, Wein und Cocktail genießen zu können. Da wird es sicherlich anfangs gar nicht auffallen, dass drinnen nicht mehr geraucht werden darf. Doch spätestens wenn die Tage wieder kühler und nasser werden, wird es ungemütlich werden. Und zwar nicht nur für die RaucherInnen.
Kneipen vor dem Aus?
Vor allem für die WirtInnen heißt es dann: Durchhalten. Denn auf sie kommen gleich mehrere Probleme zu. Viele fürchten enorme Umsatzverluste und sehen ihre Existenz bedroht. In Bayern, wo ein striktes Rauchverbot seit zwei Jahren besteht, hat sich ein solcher Trend angeblich nicht durchgesetzt. Laut einer Studie des DKFZ seien die Umsätze in der Gastronomie sogar gestiegen. Doch auch das „Vor-der-Tür-Rauchen“ birgt Probleme: Denn auch wenn die RaucherInnen weiterhin in ihre Stammkneipen kommen sollten und die Umsätze dadurch stabil blieben, ist damit zu rechnen, dass AnwohnerInnen sich durch steigenden Lärm vor der Tür gestört fühlen werden. Gerade in einer dicht besiedelten Gegend wie dem Ruhrgebiet scheint Ärger mit NachbarInnen vorprogrammiert. Ela Nordvall und ihr Mann Benny betreiben in Essen-Steele die Rockkneipe „Freakshow“. Die Location haben sie gekauft und zahlen noch die Raten dafür ab. „Wenn wir die Freak Show schließen müssten, wäre das für uns fatal. Benny ist aus Schweden hierhin gezogen, hat dort 27 Jahre gearbeitet. Er hat alles aufgegeben und wir haben uns das alles mit Blut und Schweiß aufgebaut“, so Ela. Sie kann nur hoffen, dass ihre Gäste treu bleiben und sich beim Rauchen vor der Tür leise verhalten und keinen Müll hinterlassen. „Außerdem sollten sie ihre Getränke dennoch bei uns kaufen, auch wenn es verlockend ist, das Bier an der Bude zu kaufen, wenn man eh schon draußen steht.“
Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz?
Aber kampflos aufgeben, das werden sie und viele andere nicht: Eine Initiative von Essener KneipenwirtInnen, der auch Ela und Benny angehören, hat nun bekanntgegeben, einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht zu stellen und damit das Gesetz möglicherweise zu stoppen. Höchstwahrscheinlich werden sie einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz anklagen. Denn laut des Gesetzestextes sind Ausnahmen vom Verbot und die Einrichtung von Raucherräumen sehr wohl möglich – allerdings nur in „Behörden der Landes- und Kommunalverwaltung“ sowie in „Gerichten und anderen Organen der Rechtspflege des Landes“. Die Initiative trifft sich am Mittwoch, 20. Februar um 15 Uhr im Mittendrinn, Essen-Rüttenscheid, Klarastraße 70, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Interessierte, die sich an der Initiative beteiligen möchten, sind eingeladen.
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