Bild: Die Uni-Bibliothek: Kann auch zum Flirten genutzt werden., Studierende flirten anonym und digital Foto: mar

Täglich laufen einem auf dem Campus hunderte von Menschen über den Weg und manche von ihnen findet man sogar attraktiv. Und dann gibt es hin und wieder welche, die verdrehen einem geradezu den Kopf. Der Stoff der Vorlesung wird schnell zur Nebensache, wenn ein paar Plätze weiter eine schöne Kommillitonin sitzt, das Lernen in der Bibliothek fällt schwer, wenn am Arbeitsplatz gegenüber ein fescher Kommilitone über seinen Büchern sitzt. Leider sind Hörsaal und Bibliothek Orte, die nicht gerade dazu geeignet sind, ein Gespräch anzufangen. Abhilfe sollen die Spotted-Plattformen auf Facebook schaffen.

Das Prinzip der Spotted-Seiten ist einfach erklärt: Hat man einen Menschen erblickt („spotted“), den man interessant findet, hat aber nicht die Gelegenheit oder den Mut, ihn nach Kontaktdaten zu fragen, will aber in Kontakt bleiben oder gar erst treten, schickt man seine Botschaft (so etwas wie: „An den hübschen, dunkelhaarigen Unbekannten, der heute den ganzen Tag in der UB verbracht hat und sehr fleißig war“) an die Leute der passenden Spotted-Facebook-Seite. Die veröffentlichen diese Botschaft anonym als Statusmeldung, für alle sichtbar. Fühlt man sich angesprochen, können die Moderatoren den Facebook-Kontakt herstellen oder man meldet sich per Kommentar zu Wort.

Vergucken kann man sich überall

Das Prinzip ist sichtlich beliebt: 58 Fanseiten gibt es bereits auf Facebook, große und kleine Hochschulen sind vertreten, von Passau über Jena bis Hannover. In den drei Wochen seit Start des RUB-Ablegers am 8. Januar hat die Seite schon über 2.300 Likes gesammelt und täglich werden es mehr. Das Pendant der Hochschule Bochum hat seit seiner Einrichtung am 19. Januar zwar erst 22 Likes, aber angesichts der Entwicklung der anderen Seiten ist auch hier mit Wachstum zu rechnen. Daneben gibt es noch eine Seite namens „Nightlife.Bochum“ für „Sichtungen“ außerhalb des Campus. Auch wurden bereits Parodien ins Leben gerufen: Spotted.Mittelerde für Grüße an Orks, Elfen und Zwerge etwa oder Verspotted, eine Plattform, auf der man sich über Leute auslassen kann, die man nicht ausstehen kann.

Schleimige Schnulzen und Schmonzetten

Die anonymen Botschaften sind unterschiedlich. Im Prinzip ist der gemeinsame Nenner die Botschaft: „Ich möchte dich näher kennen lernen“. Was dann nach diesem Kennenlernen geschehen soll und wie diese Botschaft vermittelt wird, ist unterschiedlich. Es finden sich schnulzige Geständnisse an Kursgefährt­Innen („Der Grund wieso ich noch zum wohl überflüssigsten Kurs in der Geschichte eines Studenten gehe, Latein nämlich, ist der wahrscheinlich hübscheste Nerd, mit den hübschesten braunen Augen und den tollsten Lachgrübchen, den ich je gesehen habe. Ein Blick auf deine Lachgrübchen und mein Ätzmontag ist vergessen und mein Herzilein macht einen kleinen Hüpfer.“) und gereimte Schmonzetten („Immer bist du ganz weit vorn /und seh ich dich mal nicht, fühl ich mich total verlorn. / Deine Augen glänzen im Licht der Neonröhren, /deine Lippen würd‘ ich zu gern spüren. /Deine sanfte Stimme findet mein Ohr, /und meine Gefühle für dich steigen noch mehr empor! /Wenn ich bloß wüsste wie du heißt, /alle nennen dich Raf nur meist!“).
Der erste Eintrag auf der Seite, „5.Semester Medizin, dieser Max mit den Wuschelhaaren, so ein Süßer“, wurde direkt von einem Max kommentiert mit „jan du pimmelritter“. Also ist direkt mit dem ersten Post eine Schwachstelle dieser Flirtplattform aufgedeckt worden. Durch die Anonymität und die Vermittlerinstanz in Gestalt der Seitenbetreiber sind Tür und Tor geöffnet für nicht ernst gemeinte Scherzbotschaften. Dies sahen auch die Betreiber von bibflirt.de. Diese Seite hat das gleiche Ziel wie Spotted, nur können Erblickte und Erblickende dort direkt kommunizieren, z.B. mittels „Volltreffer, das bin ich!“-Button.
Alle diese Plattformen sind eine unaufdringliche Art, den Campus etwas (zwischen-)menschlicher zu machen. Die Möglichkeit, die Flirtversuche zu ignorieren, ist ja immer gegeben. Etwas mehr menschliche Offenheit wäre allerdings auch im realen, dem Offline-Campus wünschenwert. Wichtig ist dabei nur: Geht respektvoll miteinander um und stört die anderen nicht beim Lernen.
 

0 comments

You must be logged in to post a comment.