Bild: Der totale Blackout: Internet abgestellt!, Einfach den Stecker gezogen... und wieder reingesteckt? Grafik: Caida, Cooperative Association for Internet Data Analysis

Die Organisation CAIDA (Cooperative-Association-for-Internet-Data-Analysis) überwacht mit ihrem „Netzteleskop” den Datenverkehr von mit Malware infizierten Servern auf der ganzen Welt. Die am San-Diego-Supercomputer-Center der University of California ansässige Organisation beobachtet auch syrische Server – diese waren zwischen dem 29. November 2012 und 1. Dezember 2012 bis auf einige wenige Lücken nicht zu erreichen.

Der Blackout kam völlig unerwartet. Neben dem Internet fielen in Damaskus auch die Festnetz- und Telefonverbindungen aus – zahlreiche Flüge mussten am Flughafen der syrischen Hauptstadt storniert werden. Ursächlich hierfür waren Kämpfe, die sich die syrischen Regierungstruppen mit den RebellInnen auf dem Flughafengelände lieferten. In der Vergangenheit legte die syrische Regierung bereits mehrfach das Internet lahm (eine Methode, die auch während der Revolution in Ägypten praktiziert wurde). Oftmals waren jene Stadtteile und Viertel betroffen, in denen sich RebellInnen und Regierungstruppen erbitterte Kämpfe lieferten. Verschiedene AugenzeugInnen und AktivistInnen berichteten, dass die Internetausfälle meist im Rahmen größerer Militäroperationen der syrischen Armee aufgetreten seien. Offensichtlich waren dieses Mal nicht nur Teile von Damaskus betroffen, sondern das ganze Land. Bereits am frühen Donnerstagabend (deutscher Zeit) dementierte Syriens Informationsminister Omran al-Subi, dass man Hand an die syrischen Internetverbindungen gelegt habe. Der Sprecher des Assad-Regimes teilte mit, dass „Terroristen“ für den Blackout verantwortlich seien. „Es ist nicht wahr, dass der Staat das Internet abgeschaltet hat“, sagte der Minister im syrischen Staatsfernsehen. Ferner bekräftigte er, dass man bereits daran arbeite, einen „Schaden am Hauptkabel für Telekommunikation und Internet“ zu beseitigen.

Analysen und Erklärungen

Am 29. November 2012 um ca. 12 Uhr (Ortszeit Damaskus) fiel die Zahl der Datenpakete syrischer Server schlagartig. Bis zum 1. Dezember 2012 erreichten nur sechs Datenpakete von drei verschiedenen Absendern die beobachteten Server in Syrien – ein Beleg dafür, dass es trotz des flächendeckenden Ausfalls möglich war, Daten über Standardrouten zu verschicken (derzeit wird rekonstruiert, ob sich die Server tatsächlich in Syrien befanden oder ob die Adressen ‚gespooft‘, also verschleiert waren). Diese Ergebnisse decken sich weitestgehend mit den Daten, die andere Initiativen und Unternehmen gesammelt haben (darunter Renesys, Arbor, CloudFlare und BGPmon – allesamt Unternehmen, die sich mit der Analyse und Sicherheit des Internets beschäftigen). Der Internet-Dienstleister CloudFlare analysierte den Totalausfall des syrischen Internets und kam zu dem Schluss, dass der Blackout nicht auf Hardwareausfälle oder Unterbrechungen der Datenverbindungen zurückzuführen sei, sondern vielmehr auf eine gezielte Abschaltung. Änderungen und Updates der Router-Konfigurationen hätten den Ausfall verursacht.

Leidtragende und die Folgen

Nach Berichten aus Syrien habe der Blackout vor allem Regionen getroffen, die zum Zeitpunkt der „Funkstille“ unter Kontrolle der Regierungstruppen standen. Leidtragende des Ausfalls waren weniger die RebellInnen, die vielfach über Satellitentelefone verfügen oder via Skype kommunizieren – hauptsächlich traf es, „wie fast immer“, die syrischen BürgerInnen.
Seit März 2011 tobt in Syrien ein erbitterter Bürgerkrieg um die Vorherrschaft im Land. Allein im August 2012 kamen bei Kampfhandlungen 5.440 Menschen, darunter 4.114 ZivilistInnen, ums Leben. Das teilte die in Großbritannien ansässige „syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ Ende August mit. Ein Ende der Kampfhandlungen und des Konfliktes in Syrien ist nicht in Sicht. Obgleich immer wieder Bilder und Videos ihren Weg ins Internet finden und von Nachrichtenagenturen verbreitet werden, schaut die internationale Gemeinschaft dem Grauen in Syrien tatenlos zu. Freude, Solidarität und Anerkennung, die der arabische Frühling weltweit auslöste, sind längst zu einer beschämenden Erinnerung geworden.
Indes weisen Google und Twitter auf den im Januar 2011 eingeführten Dienst Speak2Tweet hin. Dieser wurde während des Internet-Blackouts in Ägypten vorgestellt und ermöglicht das Versenden von Telefonbotschaften, die dann als Tweet veröffentlicht werden – dabei sei nicht zurückzuverfolgen, wer angerufen hat. Wie auch in Ägypten soll dieser Dienst den RebellInnen in Syrien und den SyrerInnen im Allgemeinen die Möglichkeit geben, Informationen ins Ausland zu verschicken. Dies stellt eine Möglichkeit dar, den digitalen Repressionen der syrischen Regierung zu entgehen – zumindest dann, wenn man über eine funktionierende Telefonverbindung oder ein Satellitentelefon verfügt.
 

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