Nachdem man alle Mitschriften und Hausarbeiten bearbeitet hat, „Blackboard“ und „moodle“ durchgegangen ist und ein paar Essays geschrieben hat, setzt man sich schließlich auf die Couch und schaltet das späte Abendprogramm an. Doch schon nach einigen Minuten wird das schlechte Gewissen wach: „Du musst noch mehr machen! Ohne grandiose Noten kein guter Job!“ Und am Ende sitzt man doch wieder die ganze Nacht vor dem PC. Ohne Fleiß kein Preis.
Ackern bis zum Umfallen
„Die Symptomatik des Burnout-Syndroms hat ein ganzes Bündel von Ursachen: überfrachtete Lehrpläne und Stundenpläne, Perfektionismus, Ehrgeiz, Konkurrenzdenken, schlechtes Zeitmanagement, Angst vor der Zukunft und eventuell schlechten Berufschancen, fehlende Work-Life-Balance“, sagt Diplom-Psychologin Konstanze Burger, Beraterin im Studierendenhaus. Die Frage ist: Sollte man wirklich das „Ackern bis zum Umfallen“ für den vermeintlichen späteren Erfolg in Kauf nehmen?
„Hallo, mein Name ist Bernd und ich leide am Burnout-Syndrom.“ Bernd hat es geschafft: Er hat sich endlich eingestanden, dass er nicht mehr weitermachen kann wie zuvor. Aber was ist mit all den anderen erschöpften Gesichtern und ausgebrannten Seelen, die mit hängenden Köpfen über den Campus schleichen? Was passiert mit Kerem, der seit Tagen im Bett liegt, weil er zu kraftlos und zu müde ist, um sich wieder aufzuraffen? Was passiert mit Anna, die seit Wochen gleichgültig die zahlreichen SMS ihrer Freundinnen ignoriert? Und mit George, der monatelang Tag und Nacht für seine Klausuren geschuftet und trotzdem nur die Hälfte bestanden hat? Auch sie müssen sich endlich darüber klarwerden, dass ihre Ressourcen ausgeschöpft sind und sie eventuell am Burnout-Syndrom leiden.
Erst einmal sollte man sich fragen, warum man überhaupt seit geraumer Zeit unter seinen Büchern begraben ist und sich mehr traut, sich daraus hervorzuwagen. Lerne ich für mich oder erwarten andere von mir, dass ich ein erfolgsprogrammierter Roboter bin? Ist es wirklich der Sinn des Lebens, immer 150 Prozent zu geben? Bevor man irgendwelche Maßnahmen ergreifen kann, muss man zuerst feststellen, dass etwas falsch läuft. Die meisten Studierenden sind jedoch in ihrem Leistungsdruck gefangen und sich nicht bewusst, dass sie sich ihr eigenes Gefängnis gebaut haben, aus dem sie jederzeit einfach hinausspazieren könnten. Bevor ihnen geholfen werden kann, muss ihnen klar werden, dass es nicht normal ist, sein Leben für die Uni zu vernachlässigen, ständig erschöpft zu sein und als gleichgültige Lernmaschine von Hörsaal zu Hörsaal zu rennen.
Oasen an der RUB
Wenn man sich schließlich darüber klar wird, dass man Hilfe braucht und sich mit Kerem, Anna oder George identifizieren kann, gibt es an der RUB zwei Anlaufstellen, die man aufsuchen kann: die OASE am Buscheyplatz 3 und die psychologische Einzelberatung direkt im Studierendenhaus. Die OASE, der „Ort für Austausch, Studium und Entwicklung“ in Bochum, bietet Workshops und Coaching-Gruppen speziell für Studierende an. Zum Beispiel ist die Teilnahme am Workshop „Zeitmanagement und Lernen“ eine gute Möglichkeit zu erfahren, wie man eine Häufung von Hausarbeiten, Lernstoff und Verpflichtungen verhindern kann. Außerdem ist die OASE ein Treffpunkt für unterschiedliche Selbsthilfegruppen. In der Gruppe für Menschen mit Depressionen beispielsweise sind auch Neumitglieder, die nicht mehr in der Lage sind, Berufs- oder Studienanforderungen gerecht zu werden, jederzeit willkommen.
Burnout oder Depression?
Warum aber sollten Studierende, die dem Burnout-Syndrom unterliegen, eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit Depressionen besuchen? „Burnout meint oft nichts anderes als eine Depression“, sagt der Psychiater Ulrich Hergerl im Interview mit dem „KarriereSPIEGEL“. Vor einem inflationären Gebrauch des Modeworts „Burnout“ müsse also dringend gewarnt werden, denn als eine Form der Depression sei das Burnout-Syndrom „eine ernst zu nehmende psychische Erkrankung, oft sogar eine lebensbedrohliche“. Eine Selbsthilfegruppe bietet sich besonders an, wenn man Gleichgesinnte kennenlernen möchte. Man kann Erfahrungen austauschen, gemeinsam nach Lösungen suchen und vor allem aneinander Halt finden.
Einzelberatung als Option
Die psychologische Einzelberatung im Studierendenhaus dagegen sollte in Anspruch nehmen, wer sich eine vertrauliche Atmosphäre wünscht. Diplom-Psychologin Konstanze Burger empfiehlt die „intensive emotionale Begegnung mit einem akzeptierenden, aber auch konfrontierenden Gegenüber“. Der Dialog mit einem/-r TherapeutIn könne somit „heilsam“ sein: „Psychologische Einzelberatung untersucht die Frage nach den individuellen Gründen für die genannten Schwierigkeiten, überprüft ungesunde Einstellungen zu sich selbst, spürt individuellen Ressourcen nach und ermutigt dazu, neue Wege im Umgang mit Leistungsanforderungen etc. auszuprobieren“, so Konstanze Burger weiter. Dies könnte eine Chance sein, dem Burnout-Teufelskreis zu entkommen.
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