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Wenn man über einen gewissen lokalpatriotischen Hit nachdenkt, merkt man deutlich, dass Herbert Grönemeyers inoffizielle Bochum-Hymne schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Seit 1984 heißt es da über die Stadt: „Du hast ’nen Pulsschlag aus Stahl, man hört ihn laut in der Nacht.“ 2012 und insbesondere vergangene Woche hörte man in der Nacht eher Bässe und Beats, Gitarren und Gameboys. Bis tief in die Nacht zum Sonntag rein war in der Rotunde alles zu sehen, hören und erleben geben, was kreativ ist.
Am Eröffnungsabend des Festivals, dem Dienstagabend vor dem Tag der deutschen Einheit, stand nach einer Vernissage der Ausstellung verschiedener Künstler die Musik und die Party im Vordergrund. Zwischen Fotografien und Gemälden, im Schein einer Videokunstprojektion oder inmitten einer Installation wurde die Eröffnung des Festivals gefeiert. Den Auftakt machten [BOLT], ein Duo zweier bärtiger Männer, ausgestattet mit zwei Bassgitarren und und einem Arsenal an Effekten. Nicht partytauglich, aber schwer und kraftvoll. Das Spektrum der Rock-Indie-Garage-Halle umfasste Experimentelles wie auch später am Abend bewährten Rock‘n‘Roll, zu dem die Hüften geschwungen wurden.
Ganz zum Tanzen da waren der Drum‘n‘Bass-Dupstep-Bassmusik-Raum und die Electro-Area. Highlight auf der Letzteren war der Bochumer Jan Michelbach alias Mini Roc. Schon beim Ruhrpuls 2011 trat er auf. Seitdem war er nicht mehr live zu sehen

Piepmatz

Als Mini Roc hinter dem Pult den DJ ablöst und anfängt zu spielen, entsteht zunächst Verwirrung unter den Tanzenden. Was da aus den Lautsprechern kommt, ist zwar elektronische Musik, aber eindeutig kein House mehr. Vielmehr klingt es nach dem Gedudel alter Videospiele. Und tatsächich steht hinter dem Pult ein junger Mann und hantiert an zwei Gameboys herum. Auf das dudelige Intro folgen tanzbare, schnelle Melodien, es kommt wieder Bewegung auf die Tanzfläche. Auch die Leute die anfangs von diesen nerdigen Klängen abgeschreckt waren (es wandelt sich das Geschlechterverhältnis zu Anfang des Konzerts zu einer eindeutigen männlichen Mehrheit), merken, dass es sich bei der Musik um durchdachte, coole Stücke handelt. Der Sound von Mini Roc orientiert sich an den Videospielen der 8- und 16-Bit-Ära, aber auch an der Ravemusik der frühen Neunziger – und entsteht komplett auf dem Gameboy. Die Musik komponiert er mit einer speziellen Software auf dem Gameboy, arrangiert sie auf seinen Konzerten aber stets neu oder spielt Effekte ein, sodass man tatsächlich von Livekonzerten sprechen kann. Seine Musik führte den 30-jährigen schon zu Auftritten nach Holland, Frankreich, London,Stockholm und ins Kulturcafé der RUB, ein Album („Miniland“) hat er beim Chiptune-Internetlabel „Da! Heard it Records“ veröffentlicht. Mittlerweile aber sind Konzerte wegen seiner regulären Arbeitszeiten rar. Seine Konzerte besitzen also nicht nur einen Exotikbonus, sondern auch Seltenheitswert, sind aber auch allein der musikalischen und kreativen Qualität einen Besuch wert.

Rage Against The Highscore

Die restlichen Festivaltage konnten ebenfalls mit Höhepunkten aufwarten. Am Mittwoch etwa stand die unmittelbar erlebbare Kunst: Neben einer Performance-Installation von David Pollmann gab es einen „Art Slam“ zu sehen. Die KünstlerInnen bekommen Marker in die Hand gedrückt, das Publikum bestimmt ein Thema und die TeilnehmerInnen bemalen im Wettbewerb gegeneinander ihre Leinwände. Ein Konzept, das bereits in der Galerie Chrom seine Beliebtheit unter Beweis gestellt hat. Was die junge Kunstwelt noch zu bieten hat, wurde an den Folgetagen abgedeckt. Film, Theater, Artistik, DJing und Siebdruck: Es durfte zugesehen, mitgemacht, eingekauft und zum Abschluss noch einmal getanzt werden.

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