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Interne Auseinandersetzungen hatten dafür gesorgt, dass es zwischenzeitlich ruhiger geworden war um das selbstverwaltete Hausprojekt. Dass sich das nun ändern muss, hat auch einen ganz profanen Grund: Geld muss her – nicht für das Projekt selbst, sondern für die Prozesskosten und Geldstrafen dreier Genossen. Deshalb gibt es ein Festival, mit dem Geld gesammelt wird. Im April waren die drei Aktivisten verhaftet worden, als die Polizei auf Anordnung des konservativen Bürgermeisters Rui Rio die Escola da Fontinha gewaltsam räumen ließ, eine zum selbstverwalteten sozialen Zentrum umfunktionierte Schule.

 

Eine Schule für den Stadtteil

Bereits ein Jahr zuvor war das leerstehende Grundschulgebäude das erste Mal von Hunderten Aktivist*innen und Anwohner*innen besetzt worden. Der Anspruch: Den Stadtteil zu beleben und den vielen politischen und kulturellen Initiativen Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Konzerte und Partys, politische Vorträge und Filmvorführungen, aber vor allem auch eine Stadtteilbibliothek, Gymnastik- und Tai-Chi-Kurse, kostenfreie Nachhilfestunden, Spielgruppen für Kleinkinder und eine Volksküche hatten in dem selbstverwalteten Zentrum ein Zuhause gefunden. Lange sah es so aus, als könne das Zentrum sogar eine legalisierte Zukunft haben. Im Rahmen von Verhandlungen mit der Stadtverwaltung als Eigentümerin wurde ein Trägerverein gegründet, und mit den Behörden ein Vertrag über die dauerhafte Nutzung ausgehandelt. Doch dann kam das Nein aus dem Rathaus – und am 19. April schließlich die gewaltsame Räumung, bei der die Polizei Menschenketten und Straßenblockaden durchbrach. Eine Wiederbesetzung durch mehr als 1.000 Anwohner*innen und Aktivist*innen am 25. April, dem Tag der Nelkenrevolution, hielt keine 24 Stunden, bis die Polizei erneut gewaltsam einschritt. Mit all diesen Maßnahmen zog sich Bürgermeister Rui Rio nicht nur die Wut der Stadtteil-Aktiven selbst zu, sondern löste auch weit über Porto hinaus Protest- und Solidaritätsaktion aus.

Streisand-Effekt

portomenuriofdpSo weit, so schlecht. Einige Wochen später allerdings machte sich Rui Rio selbst zum Gespött der ganzen Stadt. Auf dem Umschlag des kostenlosen Restaurantführers Porto Menu erschien ein aktuelles Bild eines Straßenzugs am Bolhão-Markt. Wie es dieser Tage durchaus zum Stadtbild gehörte, war an einer Hauswand gut sichtbar eine Schmähung des Bürgermeisters gesprüht: „Rio es um FDP“ – wobei die Abkürzung FDP keineswegs für den Namen einer Partei steht, sondern den Bürgermeister als „Filho da puta“, also „Hurensohn“, beleidigt. Der Bürgermeister jedenfalls reagierte keineswegs gelassen auf die Veröffentlichung des Fotos, sondern verklagte den Herausgeber des biederen Restaurantführers – mit der Folge, dass der Spruch erst recht bekannt und in der gesamten Stadt unzählige Male nachgesprüht wurde. Der Protestbewegung gegen die Räumung der Escola da Fontinha hatte Rui Rio so einen konsensfähigen Slogan verpasst. Und was ein guter Slogan zu sein scheint, wird weitergenutzt. So trägt auch das Antirepressions- und Solidaritätsfestival, das an diesem Wochenende in der Casa Viva und dem dem Lokal V5 stattfindet, den Namen „FDP 2012“.
Auf dem Marquês-Platz vor der Casa Viva ist die ehemalige Stadtteilbibliothek mit den Abbildungen von Bücherregalen und Büchern besprüht, darunter gut sichtbar das Lexikon „FDP – 1001 Definitionen“. Vor zwei Monaten hatte das kleine Betonhäuschen die Beschimpfung des Bürgermeisters erneut in die Medien gebracht. So ersteigerte Manuel Leitão, der von Bürgermeister Rio verklagte Herausgeber des Restaurantführers Porto Menu, die ehemalige Bibliothek von der Stadt. Dabei kündigte er an, einen Teil des Gebäudes für eine Ausstellung über die „Betrügereien“ zu nutzen, die der konservative Bürgermeister der Stadt Porto angetan habe.

Der Kampf geht weiter

Die Lust an der kreativen Aktualisierung von Riu Rios Medien-GAU ist den Aktivist*innen geblieben – genauso wie die Wut auf den Bürgermeister, dessen Verwaltung die massiv im Stadtteil verankerte Selbstorganisation der Escola da Fontinha zerschlagen ließ. Ansonsten ist aktuell nicht alles einfach für die Bewegung. Nach der Besetzungseuphorie seien seit der gewaltsamen Räumung einige Aktive desillusioniert in der Versenkung verschwunden. Vielleicht, um sich erst einmal um persönliche Probleme zu kümmern, heißt es. So depressiv, wie Porto in diesen Krisenzeiten andernorts wirkt, ist man in der Casa Viva an diesem Abend trotzdem nicht. Für das Festival, dessen Einnahmen immerhin die Repressionskosten decken sollen, haben sich alleine via Facebook über 700 Gäste angekündigt. Und beim Abendessen der lokalen Food-Not-Bombs-Gruppe („Comida, Não Bombas!“) sind sich Viele sicher, dass es das längst noch nicht gewesen ist mit dem Kampf um selbstorganisierte soziale Freiräume in Porto – erst Recht, wenn sich die Lebensbedingungen der Bevölkerung in der Krise weiter so rapide verschlechtern sollten. Schließlich seien zum Beispiel die Volksküchen, vor Jahren noch als dezidiert linke Projekte gegründet, heute für viele Menschen zentral, um überhaupt noch satt zu werden. „In den Stadtteilen fangen manche Menschen an zu hungern. So ernst ist es mit dieser Krise geworden“, betont ein langjähriger Aktivist und prophezeit: „Wenn das so weiter geht, dann wird es bald zu Supermarkt-Plünderungen kommen.“

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