Die „junge Zielgruppe“ will er „wieder für Politik begeistern“ und stellt dem sympathischsten Gesprächsgast, dem mit den meisten Anrufern, 100.000 Euro in Aussicht. Denn: „Meinung muss sich wieder lohnen“, so der Untertitel der Sendung. Wer also immer und immer wieder beteuert, dass man die Reichen höher besteuern muss und dass Kinderpornografie stärker verfolgt gehört, erntet leicht verdientes Geld. Wer hingegen mit unbequemen Wahrheiten im Studio ankommt, muss damit rechnen, dass er oder sie diese nicht gegen hundert Riesen eintauschen wird. Aber vielleicht kann man ja in der zweiten Runde den eigenen Punktestand im japanischen Bogenschießen und Damespiel mit Elektroschocks verbessern.
Die öffentlich-rechtlichen TalkerInnen zittern schon vor Angst vor der neuen Konkurrenz – bleiben aber nicht untätig. Zittern ist dennoch ein gutes Stichwort. Maybrit Illner peppt passend zum Thema ihrer Sendung am Donnerstag, „Arm im Alter“, ebendiese durch einen Wettbewerb im Eierlaufen und im heißen Draht auf. Typische ZDF-Kreativität in der Programmgestaltung. Markus Lanz will alle seine Sendungen zu einem großen Happening verschmelzen. Er lädt PolitikerInnen oder Menschen mit interessanten Schicksalen – oder besser noch: vom Schicksal geschlagene Politiker – zum Kochen und Essen ein. Und mit diesem Finanzminister wettet er dann, ob es ihm gelingen wird, innerhalb einer Stunde fünf FDP-Wähler zu finden. Der Ur-ur-ur-ur-Enkel desjenigen Trierer Bürgermeisters, der die Geburtsurkunde von Karl Marx unterschrieben hat, ist Raabs direkter Kontrahent. Der Bildungsbürger aus gutem Hause, Günter Jauch, wird, Familientraditionen zum Trotz, zur gleichen Sendezeit wie Stefan Raab versuchen, den Kommunismus aus der Gesellschaft auszutreiben. Redeanteile werden anteilsmäßig nach richtig beantworteten Fragen zum Allgemeinwissen vergeben.
Selbstverständlich werden die neuen Sendeformate einschlagen wie eine Bombe. Zumindest das von von Stefan Raab. Quote ist bei den Öffentlich-Rechtlichen ja nicht von Belang. RTL zieht nach. Paul Panzer lädt ein in sein Zelt im Hochland von Abessinien. Auf die Frage „Wie verbleiben wir denn jetzt?“ teilt ihm die Regie am Ende der Sendung mit, welcher Talkgast Recht hat in der Diskussion darüber, ob Bordellbesuche von den Krankenkassen bezahlt werden sollten. Es gewinnt Axel Schulz, weil er seine Argumente mit den meisten Eidechsen im Mund hat vorbringen können. Endlich ist Schluss mit der Politikverdrossenheit!

 

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