Am Morgen des 7. Juli rief der 45-jährige Ousman Sey den Notarzt, weil er den Verdacht hatte, einen Herzinfarkt zu haben. Die kurz darauf eingetroffenen Rettungssanitäter*innen stellten daraufhin ein starkes Herzrasen fest. Obwohl die Gefahr eines Herzstillstandes bestand, weigerten sich die beiden Sanitäter*innen Sey mit ins Krankenhaus zu nehmen. Nachdem er in Todesangst randalierte und eine Fensterscheibe eintrat, riefen die Nachbar*innen die Polizei. Um 7 Uhr traf die Polizei ein. Ousman Sey flehte sie an, ihn ins Krankenhaus zu bringen. Auch eine Nachbarin, die Krankenschwester ist, verlangte nach einem Notarzt. Die Polizeibeamt*innen interessierten sich dafür jedoch nicht.
Sie legten Sey Handschellen an und nahmen ihn mit auf die Polizeiwache. Dort fing er an zu krampfen, woraufhin dann doch ein Krankenwagen gerufen wurde. Viel zu spät, wie sich herausstellte. Auf dem Weg ins Krankenhaus verstarb Ousman Sey an Herzversagen. „Wir widersprechen den Leitern von Polizei und Feuerwehr, die einen rassistischen Hintergrund von vornherein ausschließen. Wir erinnern uns an Oury Jalloh, der 2005 in Dessau in einer Polizeizelle verbrannte, aber auch an den ehemaligen Leiter der Dortmunder Feuerwehr, Klaus Schäfer, der beste Kontakte zu den Dortmunder Neonazis unterhält. Rassismus ist auch und gerade ein Problem der Behörden“, sagt Tobias Schmidt, Pressesprecher des Dortmunder Antifacamps. Vom 24. August bis zum 2. September campen Antifaschist*innen in Dorstfeld, mit dem Ziel den Neonazi-Aufmarsch am 1. September, dem Antikriegstag, in Dortmund zu verhindern.
Alltägliche Gewalt
In der Bundesrepublik ist es alltäglich, dass Menschen ohne deutschen Pass oder mit dunkler Hautfarbe unter Rassismus leiden müssen. Vornehmlich Polizeibeamt*innen sind dabei häufig die Täter*innen. Amnesty International hat bereits mehrmals Misshandlungen durch deutsche Sicherheitsbeamte angeprangert, besonders Flüchtlinge gehören zu ihren Opfern. Polizeibeamt*innen gehen dabei sowohl gegen Kranke, gegen Behinderte, gegen Alte und gegen Schwangere vor, teilweise mit großer Brutalität. Ihre Opfer sind meistens wehrlos und eine Chance auf Gerechtigkeit haben sie selten. Wenn drei oder mehrere Polizist*innen einen Obdachlosen oder einen Flüchtling gemeinsam zu Boden pressen, obwohl das Opfer kaum alleine stehen kann, hat das mit Notwehr nichts mehr zu tun, so der Vorwurf. Wenn Betroffene Anzeige gegen die Polizei stellen, kommt meist eine Gegenanzeige wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte.
In Polizeigewahrsam müssen insbesondere Menschen mit dunkler Hautfarbe dabei viel ertragen. Einige werden beschimpft, geschlagen und getreten. Wenn Menschen nicht so agieren, wie es den Beamt*innen gefällt, wird mit Gewalt nachgeholfen. So auch bei Ousman Sey. Wenn Polizist*innen unter sich sind, ist die Gefahr besonders groß. Gegenseitiges Decken ist Ehrensache und, wenn Beamt*innen gegeneinander aussagen, ist für den „Nestbeschmutzer“ die Karriere zu Ende. Obwohl sich nur wenige Menschen überhaupt noch trauen, Anzeige gegen die Polizei zu stellen, werden die Verfahren fast alle eingestellt. Das ist ein strukturelles Problem. Denn die Polizei müsste gegen sich selbst ermitteln. Deswegen fordern Flüchtlingsverbände und Amnesty International unabhängige Untersuchungskommissionen, wenn Polizeiübergriffe angezeigt werden.
Gerechtigkeit unmöglich?
Ob je geklärt werden kann, wie Ousman Sey umgekommen ist, bleibt unter diesen Umständen mehr als fraglich. „Wir fordern eine schnelle und umfassende Aufklärung der Umstände, unter denen Ousman Sey gestorben ist. Ob rassistischer Hintergrund oder einfach Versagen der Einsatzkräfte, es ist ein Skandal, dass er in Gewahrsam genommen wurde, statt medizinische Hilfe zu erhalten“, sagt Tobias Schmitt. Die beiden wichtigsten Fragen im Fall Ousman Sey bleiben bisher unbeantwortet: Warum konnte ein Mann, der ärztliche Hilfe benötigt, in Handschellen in Gewahrsam genommen werden und warum wurde ihm die medizinische Hilfe mehrfach verweigert? Es ist nun wichtig, die Vorfälle gänzlich aufzuklären. Hier müsste die Staatsanwaltschaft in Dortmund nun konsequent im Umgang mit Polizeibeamt*innen sein. „Unsere Solidarität gilt den Angehörigen und Freunden von Ousman Sey“, sagt Tobias Schmidt.
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