Kein festgezurrtes politisches Programm, aber dennoch eine Botschaft: Der Euromayday sammelt all diejenigen, die sich von den Bier- und Bratwurstkundgebungen des DGB nicht mehr vertreten fühlen: Studierende, Praktikant*innen, angeblich selbstständig Beschäftigte aus dem Kultur-, Medien- und Sozialbereich, die häufig ohne soziale Absicherung arbeiten müssen. In einer aufmüpfigen Parade will das Euromayday-Bündnis Menschen zusammenbringen, die von ganz unterschiedlichen Formen prekären Lebens betroffen sind – egal ob sie mit dem Laptop oder dem Wischmopp ihr Geld verdienen, oder ob sie schon ganz aus der Erwerbsarbeit ausgegrenzt sind.
Seit 2010 auch im Ruhrgebiet
Inzwischen hat die neue Aktionsform selbst schon eine Tradition. Der erste Euromayday fand vor elf Jahren in Mailand statt, seitdem sind die aktionistischen Umzüge zu einem europaweiten Phänomen geworden. Im Jahr 2004 nahmen bereits insgesamt 100.000 Menschen an den unterschiedlichen lokalen Paraden teil. In Deutschland machte der Euromayday zunächst vor allem in Berlin und Hamburg von sich reden. Im Kulturhauptstadtjahr 2010 organisierte ein lokales Bündnis dann auch erstmals eine Parade im Ruhrgebiet, um einen kritischen Kontrapunkt zu der Kreativwirtschafts-Lobhudelei des Mega-Events zu setzen. Im vergangenen Jahr zog der Euromayday erneut durch Dortmund – mit über 1.000 Teilnehmer*innen.
Nicht verwechseln
Dass das ursprünglich aus Italien stammende Polit-Straßenspektakel einen ähnlichen Namen trägt wie der große kommerzielle Indoor-Rave Mayday in den Westfalenhallen, das ist Zufall. Allerdings stammen auch viele der am Euromayday beteiligten DJs aus der Electroszene. Was dem Bündnis aus Kultur-, Sozial- und Politinitiativen vorschwebt, ist eine Party der Prekarisierten, die gleichzeitig auch Ausgangspunkt für weitere künstlerische und politische Aktionen sein kann. Das offene Prinzip ist Kern des Konzepts: Zwischen den DJ-Sets gibt es keine klassischen Demo-Redebeiträge, sondern Aktive aus verschiedenen Initiativen werden interviewt. Das Bündnis bereitet außerdem große Papp-Sprechblasen vor, auf welche die Teilnehmer*innen auch ganz spontan vor Ort ihre eigenen Gedanken und Forderungen schreiben können.
Damit steht der Euromayday zwar nicht im Widerspruch zu den klassischen Gewerkschaftskundgebungen zum 1. Mai, setzt aber andere Duftmarken: Es geht nämlich nicht nur um Arbeiter*innen und Angestellte, sondern auch um die Millionen Arbeitslosen. Und um kaum bezahlte Uni-Dozent*innen ohne festen Vertrag, und um die, die als Dauer-Praktikant*innen ausgebeutet werden. Außerdem, das ist den Verantwortlichen wichtig, soll der Euromayday auch ein Forum für jene Gruppen sein, die noch viel stärker von Prekarisierung betroffen sind: Etwa Migrant*innen, die häufig keinen sicheren Aufenthaltsstatus haben, oder Wohnungsloseninitiativen, die mit massiven gesellschaftlichen Vorurteilen zu kämpfen haben.
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