„Die Abenteuer von Trashman“ ist erst der zweite Roman, den Weissner in Deutsch verfasst hat. Es ist eine halb autobiographische, halb fiktionalisierte Verarbeitung jener Aufzeichnungen, die Weissner während seines gut einjährigen Aufenthaltes im New York der späten 60er Jahre angefertigt hat. Es war die bewegte Zeit um 68, als junge Soldaten in Vietnam Greueltaten verübten und zur Beruhigung nahezu reines Heroin durch ihre Gewehrläufe rauchten. Die Zeit, in der Bobby Kennedy und Martin Luther King erschossen wurden. In der Hippies Frieden propagierten und auf LSD Axtmorde verübten. Die Zeit, in der sich der afroamerikanische Widerstand radikalisierte, Menschen für ihre Ideen auf die Straßen gingen und der Staat mit Polizeigewalt dagegenhielt.
Carl Weissner spricht alle diese Themen an, ist Chronist der Ereignisse – und auch der Avantgarde, mit der er in New York verkehrte. Roy Lichtenstein lud zum Mokka trinken, Warhol in die Factory. Ginsberg sprach das Om. Burroughs hing an der Nadel. Janis Joplin trank viel Bier, erzählte ihre Sexgeschichten und schlug Jim Morrison eine Flasche auf den Kopf, als dieser ihr zwischen die Beine hechtete. Hendrix zweifelte am Klang seiner Stimme. Und Bukowski rief aus Los Angeles an und fragte, ob der verabredete Selbstmord am Silvesterabend denn nun stattfinden werde. Und nahezu jeder bat um Übersetzungen.
Weissners Roman ist eine Collage, eine Sammlung von Erzählungen und Kommentaren, von Textschnipseln und Zitaten, die er zu einem großen Bild zusammenwebt. Der Stil ist so facettenreich wie der Inhalt selbst, und häufig ist man irritiert, ob man sich auf Ausdruck oder Handlung konzentrieren soll. Das alles wirkt aber nie gestelzt, nie konstruiert. Und so macht man die Sprünge einer Kritik an Arno Schmidt hin zu der Frage, ob der Autor unter die Pot-Dealer gehen sollte, gerne mit.
Die Aufgabe des Übersetzers
Es ist wohl Weissners Berufung als Übersetzer zu verdanken, dass er zahlreiche Textpassagen auf Englisch verfasst und eben nicht ins Deutsche übertragen hat, um den spezifischen Wortwitz zu erhalten. Und gleichzeitig spielt er mit den Unterschieden der beiden Sprachen. So berichtet er etwa von einem glorreichen Distinktionsgewinn, für den allein sich das Forschungsstipendium schon bezahlt gemacht habe, das ihm eigentlich nur dazu diente, die Miete und sein geliebtes Meskalin zu bezahlen: „Wie sagt man ‚eigentlich‘ auf Englisch? Adorno jetzt mal herhören: ‚The Fuck‘. Beispiel: Was glaubst du eigentlich, was du machst? The fuck ya think ya doin‘.“
Neben den vielen Kommentaren zur Gesellschaftssituation der Vereinigten Staaten verweist Weissner aber auch immer wieder auf die deutschen Zustände und seine Beziehung zum Heimatland. Und auf dieses ist er nicht allzu gut zu sprechen. Unter den Gerichtsroben sieht er die früheren Nazis, beim BKA die Männer von der SS. Und auf den Straßen die „Hinterbänklergermanistenfickerbrigade, die in Zwölferreihen den Kudamm langtrabt – ein Exzess von Peinlichkeit. […] Ich sollte hier in die Illegalität verschwinden. Ich will gar nicht zurück in das scheiß Land. Die sind doch alle verblödet, weil sie von Kannibalen abstammen.“
Glücklicherweise ist Weissner doch in den deutschen Sprachraum zurückgekehrt. Andernfalls wären uns nicht nur gelungene Übersetzungen von Autoren wie Burroughs, Ginsberg, Bukowski oder Dylan vorenthalten geblieben, sondern schließlich auch dieser interessante Text, mit dem Weissner beweist, dass er die deutsche Sprache nicht nur als Übersetzer, sondern auch als Schriftsteller beherrscht.
Carl Weissners letzter englischsprachiger Roman „Death in Paris“ ist auf der Burroughs-Website realitystudio.org zu lesen. Sein erster deutschsprachiger Roman „Manhattan Muffdiver“ erschien 2010 im Milena Verlag.
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