Ahh! Diese verdammte Hornbrille, viel zu enge orangefarbene Jeans, ein schlecht geschnittenes T-Shirt mit blödem Spruch und ein Lama mit einer Sonnenbrille darauf. Aber das ist ja kein schlechter Geschmack, weil du es ironisch trägst. Später gehst du noch Schallplatten kaufen und checkst den neuen 70er-Jahre Laden in Ehrenfeld aus. Der hat neben deiner Lieblingsgalerie aufgemacht. Aaaah!
So geht es mir oft. Mein Kopf explodiert und innerlich schreie ich solche Leute an, die ich in die Schublade „Hipster“ eingeordnet habe. Die englische Wikipedia beschreibt diese Subkultur, die in den 90ern entstand, als junge, urbane Mittelklasse mit Interesse an Alternative Rock, Independent Filmen, obskuren Mode-Magazinen wie „Vice“ und „Clash“ sowie Webseiten wie „Pitchfork Media“. Aber auch der Wikipedia-Artikel hat mehr Textanteil unter dem Bereich kritischer Analyse als unter Geschichte. Darin werden Autor­­­­­­Innen zitiert, die beschreiben, dass Hipster das „Authentische zum Fetisch machen“, sich selber für „cooler als Amerika halten“. Arrogante Schnösel, die immer auf der Suche nach der neusten hippen Band oder Bar sind, mit der sie sich dann identifizieren können. Ja genau. Das geht mir bei diesen Leuten auf die Nerven.
Für das andere Extrem gibt es auch einen Begriff, der aber schon viel älter ist: den Spießer. Je konservativer, engstirniger, kleingeistiger, desto spießiger. Schnell ist die Beleidigung ausgesprochen, wenn jemand laut über das Abschließen einer privaten Rentenversicherung nachdenkt. Oder die WG-Mitbewohnerin mag es nicht, wenn die Putzlappen nicht ordentlich ausgewrungen werden. Spießig, nicht wahr? Aber oft sagt das Wort „Spießer“ mehr etwas über den Sprecher, denn über den Angegriffenen aus. Der „Spießer“-Sagende will sich nicht an eine Regel oder eine gewisse Ordnung halten, also ist der Regeltreue ein Spießer. Und Spießer muss man nicht ernst nehmen, über die lacht man.
Holy Shit. Genauso ist es beim Hipster. Niemand beschreibt sich freiwillig und stolz als Hipster wie man es vielleicht als Punk täte. „Hipster!“ ist der empörte Schrei des Normalen über das Außergewöhnliche. Es ist ein Eingeschnapptsein, weil jemand einen individuellen Geschmack und Hobby hat, während man selber arbeiten muss und keine Zeit für so einen Unsinn hat. Für einen angestellten Anzugträger ist das schon ein kapuzenpullitragender Student, während dieser mit Abscheu auf die Theaterwissenschaftlerin im roten Karohemd mit Jutebeutel herabschaut. Letztendlich landet man in dieser Skala immer bei Björk.
Und was jetzt? Einfach mal mit den Labels aufhören und Leute auf die Grütze stoßen, die sie verzapfen. Konzeptlose Tanztheater-Performances sind halt scheiße.

 

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