Es bietet ein Abendprogramm mit Diskussion, Distinktion und die Disposition, um in aller Ausführlichkeit die fragwürdige Freude am Ich zu zelebrieren. Doch das soziale Netzwerk lehrt uns auch: Popzitate sind nur „another brick in the wall“. Allerdings mit dem Unterschied, dass ihr Ziel nicht ist, Mauern einzureißen, sondern sie vielmehr aufzubauen. Ein Vorteil: Facebook ersetzt sogar unliebsame Ehemaligentreffen. Klick, klick. Daumen hoch. Wir erfahren aber im Gegenzug, wo und manchmal auch, mit wem du vergangene Nacht geschlafen hast. Nevermind. Wir sehen auch, dass dein Tachostand am Mittwoch 240 km pro Stunde anzeigt, während du über die Autobahn fährst, weil du dich „mal eben abreagieren“ musst. Frei nach dem Motto: When there`s nothing left to burn, you have to set yourself on fire. Wir kennen deine Joggingrouten, deine Erziehungsmethoden und dein Fernsehprogramm. Oft gibt es uns völlig zu Unrecht das Gefühl, ein besserer Mensch als du zu sein. Mit Facebook ersparen wir uns jede Menge gescheiterte und gelungene Selbstdarstellungsversuche quer durch unseren ehemaligen Jahrgang. So kommen wir um die müßige Frage „Und was machst du jetzt so?“ herum. Denn auf die bekämen wir sowieso keine ehrliche Antwort und wenn doch, riskieren wir Zwietracht säende Gedanken wie: Aha, du verkaufst uns deine Krankenschwesterausbildung also noch immer als Medizinstudium? So gesehen erfahren wir vorrangig Dinge, die wir auch vorher schon wussten. Was uns aber weder ein Ehemaligentreffen, noch Facebook verrät, ist, wie es dir wirklich geht. Welche Hürden und Hoffnungen dich umtreiben, welche Ängste du hast. Wir kennen weder deine Fragen an die Zukunft, noch das Gefühl, das du haben wirst, wenn dein Freund dich verlässt oder deine Katze stirbt. Kurz gesagt: Wir wissen um dein geistiges Ghetto, aber auch, dass Menschen aus mehr bestehen als aus gesellschaftsfähig aufbereiteten Lebensläufen einerseits und YouTube-Links, Pinnwand-Posts und Statusmeldungen andererseits. Während wir für Prüfungen büffeln, entscheidest du, auszuwandern. Während wir uns dann über den bestandenen Abschluss freuen, sitzt du gerade im Flieger Richtung Neuseeland. Die Zwischentöne deines Privatlebens entgehen uns dabei jedoch. So ein Realitätsabgleich funktioniert eben nur selten, wenn man den Alltag nicht miteinander teilt. Insofern ist Facebook eine Art mehrschichtige Pop-Zitat-Collage, die uns die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen unserer Leben vor Augen führt, ohne dass wir je etwas daraus lernen würden. In diesem Sinne: You say good morning, when it`s midnight. You throw partys, we throw knives. You say goodbye, I say hello. You say party, we say die. Und manchmal gilt für uns alle: You say it best when you say nothing at all.
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