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Das Kulturhauptstadtjahr hatten viele Verlage zum Anlass genommen, sich mit dem Phänomen des Ruhrpotts genauer zu beschäftigen. Herausgekommen sind dabei viele Annäherungsversuche, die es an Einfühlungsvermögen oft nicht mangeln ließen. Peter Erik Hillenbachs „Gebrauchsanweisung für das Ruhrgebiet“ bemühte sich nebst ausgewogener Objektivität in der Darstellung um eine höchst subjektive Einschätzung der gegenwärtigen Lage des Ruhrgebiets. In seiner persönlichen Sicht auf die Dinge standen ihm die Veröffentlichungen von Olaf Sundermeyer und Frank Goosen in Nichts nach. Das Ich garantierte die notwendige Authentizität,  sobald es im Akt der Annäherung aus sich heraustrat: mal trunken heiter, mal melancholisch verstimmt, doch immer direkt. Dieser Gestus der Direktheit, erwies sich als stilsicherer Topos, wenn es darum ging, dem Pott sein angestammtes Grau von den Wangen zu wischen und etablierte sich im Zuge der zahllosen Veröffentlichungen zum Genremerkmal, das so lange strapaziert wurde, bis es mit Hennes Benders Ruhrpott-Lexikon „Komma lecker bei mich bei“ schließlich brach.

150 Jahre Ausbeutung

Das neue Ruhrbuch schlägt dagegen andere Töne an: „Und plötzlich war die Kohle weg. Knapp 150 Jahre hat die Ausbeute gereicht, dann war auf einmal Schicht im Schacht“, schreiben die Herausgeber Markus Weckesser und Jörg Sundermeier in ihrem Vorwort.
Regionale Highlights wie die Gründung der Ruhr-Uni im Jahre 1962 oder die IBA Emscher Park werden erwähnt, aber auch die beiden Hausbesetzungen diverser Kunstschaffender in Essen und Dortmund anlässlich der leeren Versprechungen zum Kulturhauptstadtjahr bleiben nicht unerwähnt. Es folgt eine Textsammlung diverser AutorInnen, die sich mit dem Ruhrgebiet auseinandersetzen. Von Marc Degens über Wolfgang Welt bis zu Alexander Kluge reicht das AutorInnenverzeichnis. Herausgekommen ist ein kritisches Potpourri, das einen literarischen Anspruch nicht vermissen lässt, nicht zuletzt da die AutorInnen sehr pointiert ausgesucht wurden. Das qualitative Gefälle zu anderen Publikationen dieser Art ist bemerkenswert, vor allem, wenn man sich an das sogenannte „Literaturwunder Ruhr“ erinnert. Hier wurde nicht danach gefragt, wer sich vor welchen Karren spannen lässt, sondern auf einen differenzierten Blick Wert gelegt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Ob Sarah Schmidt über die Malocherlegende ihres Vaters im Nachkriegsdeutschland schreibt oder Matthias Schamp den dauerbreiten Herrn Scholz mit seiner Künstlerwohnung verschreckt – viele neue Blicke auf das Leben an der Ruhr eröffnen sich.  

Direkt oder gar nicht

So erweist es sich als Glücksfall, dass der Verbrecher Verlag sich des Themas angenommen hat. Der renommierte Independent-Verlag, in dem bereits Dietmar Dath mit seinem Roman „Cordula killt dich“ debütierte, betrat mit der Anthologie kein Neuland. Veröffentlichungen wie das Kreuzbergbuch oder das Hauptstadtbuch genießen mittlerweile Kultstatus.  
Das Rurhbuch ist vor allem jenen LeserInnen zu empfehlen, die einen Blick hinter die sattgehörten Stereotype werfen wollen, die sich für die Menschen und ihre Geschichte hinter den handelsüblichen Abziehbildern interessieren. Denn mit Klischees ist keinem geholfen, besonders in einer Region, in der die Entwicklungslinien entweder direkt oder gar nicht verlaufen. So musste bereits Peter Erik Hillenbach in seiner Gebrauchsanweisung für das Ruhrgebiet feststellen: „Ein ruhiges, lineares Wachsen und Gedeihen ist uns offenbar nicht gegeben; hier explodiert erst plötzlich alles in grenzenlosen Wachstum, und dann geht alles auf einmal den Bach runter. Dazwischen gibt es nichts.“ – Wie schön, wenn man zwischen Aufstieg und Niedergang nicht den Blick für das Wesentliche verliert. Die Geschichten im Ruhrgebietsbuch machen hier gleich mehrere Angebote. Eine Lektüre, die sich lohnt.

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